In weißer Stille
und niederträchtige Weise ermordete. Und wie hinterhältig es auch war, seinem Bruder Beweise unterzuschieben. Herrgott! Aber Bertram war tot. Erst hatte er seinen Vater wegen des Erbes umgebracht, dann das Testament gefunden und diese furchtbare Konsequenz gezogen und sich erschossen, während sie mit Albert im Bett gelegen und sich darüber schlappgelacht hatte, wie der seine Socken auszog.
Für einen Moment erfüllte sie tiefe Trauer, dann fiel ihr Blick wieder auf den Schlüssel. Es war jedoch nicht Wut, sondern Panik, die in ihr aufstieg. Vielleicht hatte Bertram vor seinem Selbstmord bereits die Weichen gestellt und den Verdacht auf Albert gelenkt … vielleicht würde Dühnfort jeden Augenblick mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür stehen … wenn nun die Polizei glaubte, dass Albert … Justizirrtümer kamen nicht nur in Filmen vor … erst neulich hatte sie eine Reportage gesehen … aber Dühnfort vermittelte nicht den Eindruck, ein Idiot zu sein. Babs atmete durch. Sie würde jetzt die Polizei anrufen. Doch dann stellte sie sich vor, wie Albert reagieren würde. Dieser falsche Verdacht würde ihn vermutlich ebenso kränken und verletzen wie der feige Verrat durch seinen Bruder. Er hatte in den letzten Wochen wirklich genug durchgemacht.
Babs ging mit dem Schlüssel in die Küche. Dort holte sie einen leeren Joghurtbecher aus dem Mülleimer, legte den Schlüssel hinein, stopfte die Aluverpackung der Butter dazu und vergrub das Ganze im Abfall.
Zwei Minuten später verließ sie das Haus mit einer ausgebeulten Drogeriemarkttüte in der Hand und suchte den kleinen Teeladen im Hinterhaus des Nachbargebäudes auf. Sie passierte den Durchgang zum Hinterhof und warf die Plastiktasche in den Müllcontainer, der dort in einer dunklen Nische stand.
* * *
Die Scheibenwischer arbeiteten unermüdlich. Caroline bemerkte die sanfthügelige Landschaft nicht, die hinterRegenschleiern verschwamm. Sie sah zu Marc, der seinen Blick konzentriert auf die kurvenreiche Landstraße gerichtet hielt.
Vor einer Stunde war er bei Babs erschienen und hatte sie in den Arm genommen. »Caro, Liebes, es tut mir wahnsinnig leid. Es ist eine schwere Zeit für dich, und ich denke bloß an meine Gefühle und unterstelle dir auch noch Herzlosigkeit. Wie konnte ich nur?«
Schuldbewusst wandte sie sich von Marc ab. In gewisser Weise hatte er ja ins Schwarze getroffen, Gefühle gehörten nicht zu ihren Kernkompetenzen. Etwas stimmte nicht mit ihr. Andererseits verstand sie nicht, weshalb ein solcher Wirbel darum gemacht wurde. Ihrer Meinung nach war es zielführender, Emotionen bei wichtigen Entscheidungen außer Acht zu lassen. Selbst wenn Marc die Beziehung zu ihr aus beruflichen Gründen wollte, was war schon dabei? Früher wurden Ehen hauptsächlich aus praktischen Gründen geschlossen, ganz zu schweigen von Firmen und Königreichen, die so zusammengehalten wurden. »Verrätst du mir jetzt, wohin wir fahren?«
»Ins Grüne.« Marc löste den Blick von der Straße und lächelte. »Aber deine Geduld wird nicht länger auf die Folter gespannt. In fünf Minuten sind wir da.«
Caroline trug noch die Sachen, in die sie am Morgen geschlüpft war: eine ausgeleierte Jeans, eine verwaschene Bluse und darüber den alten Trenchcoat. Mehr als ein Waldspaziergang war in diesem Aufzug nicht möglich. Es regnete allerdings noch immer.
Marc nahm die rechte Hand vom Steuer und griff nach ihrer. »Bald wird es dir ein bisschen besser gehen.«
Das konnte sie sich nicht vorstellen. Sie fühlte sich innerlich wund, der Pfropf ungeweinter Tränen drückte noch immer hinter dem Brustbein, und ihr Kopfschmerzte. Am liebsten hätte sie sich ins Bett gelegt und die Decke über den Kopf gezogen.
Sie passierten ein Ortsschild, dessen Aufschrift im Regen nicht zu erkennen war, und fuhren an Bauernhäusern mit weit vorragenden Dächern vorbei. Kurz vor dem Ortsende bog Marc ab. Ein See erschien auf Carolines Seite, der Weg wurde breiter und verwandelte sich in eine Hotelauffahrt. Marc stoppte den Wagen auf dem Parkplatz.
Hotel Seeschlösschen,
entzifferte Caroline, dahinter waren fünf Sterne angebracht. »Was machen wir hier?«
Marc schaltete den Motor ab. »Ich dachte an ein Wellnesswochenende. Ich habe ein Zimmer für uns gebucht und für dich eine Shiatsumassage. Die muss man nämlich vorbestellen.«
In diesem Aufzug konnte sie unmöglich ein Fünfsternehotel betreten, und sie hatte auch nichts dabei. Aber plötzlich war ihr das egal. Die
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