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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Vivaldis »Sommer« auf der Geige vorgespielt. Wunderbar! Ich habe Angst, ihm den
Vater zu nehmen. Was wird aus ihm werden an der Seite dieser kalten Mutter, die eine Juristenkarriere für erstrebenswerter hält als dieses »Gefiedel«?
    Caroline löste sich aus Marcs Umarmung und zog die Beine aufs Sofa. »Jedenfalls hat sich diese Sorge als überflüssig erwiesen. Mutter hat sich bekanntlich nicht von Vater getrennt, und Christian Brandenbourg ist heute ein berühmter Musiker.«
    Marc strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Denkst du, sie hat seinetwegen auf Peter verzichtet?«
    * * *
    Dühnfort traf Gina in der Drehtür des Klinikums. Er war auf dem Weg hinein, sie auf der Flucht, wie sie es nannte. »Ich hab dem Prof einen Abschiedsbrief geschrieben und entlasse mich auf eigene Verantwortung. Wo steht dein Auto?«
    Sie blickte noch über die Schulter, als hätte sie Angst, verfolgt zu werden, als sie bereits den Kofferraum seines Wagens öffnete und ihre Tasche hineinwarf.
    Während der Fahrt in den Stadtteil Haidhausen, im Osten Münchens, schwieg Gina. Als er am Bordeauxplatz einparkte, fragte sie ihn: »Kommst du noch mit rauf?«
    Er zögerte. Diese Einladung kam überraschend.
    »Der Umgang mit ein paar netten Menschen würde dir guttun.« Ihre Stirn lag schon wieder in Falten. »Ich würde dich gerne meinen Eltern vorstellen.« Nun grinste sie. »Außerdem würde das höchstpersönliche Erscheinen meines Chefs meine kleine Notlüge vom Lehrgang untermauern.«
    Dühnfort war noch nie bei Gina gewesen. Er wusste, dass sie vor drei Jahren eine WG gegründet hatte, um andie riesige Altbauwohnung zu kommen, in die sie sich verguckt hatte. Seither wohnte sie dort mit wechselnden Mitmietern, zu denen seit zwei Monaten auch ihre Eltern gehörten. Die konnten erst wieder in ihre Wohnung zurückkehren, wenn die Folgen eines Wasserrohrbruches beseitigt waren.
    »Na. Das war eine Einladung und keine Vorladung. Du musst ja nicht.« Gina öffnete die Tür.
    Die Aussicht auf einen weiteren Abend alleine in seiner Wohnung erschreckte Dühnfort. »Doch. Ich komme mit.« Er griff nach seiner Jacke und stieg aus.
    Das Haus befand sich in einer Seitenstraße des Bordeauxplatzes. Sie gingen an einer Ökobäckerei vorbei, einem Laden für ätherische Öle, Duftkegel, Räucherstäbchen und Klangschalen, einem Geschäft für Holzspielzeug und einer Dönerbude und gelangten dann in einen Hinterhof, in dem sich eine Schreinerei und eine Buchbinderei befanden. Gina sperrte die Tür zum Hinterhaus auf. »Und bitte verplappere dich nicht. Ich war auf einem Lehrgang. Besser: Wir waren. Warum sonst würdest du mich nach Hause bringen?«
    Dühnfort folgte ihr in den fünften Stock. Als sie oben waren, trat ein schmächtiger Mann mit einem Instrumentenkoffer aus der Wohnung. Sein Haar war schütter, obwohl er höchstens so alt war wie Gina, Anfang dreißig.
    »Das ist Theo. Er arbeitet beim Finanzamt und spielt außerdem Trompete in einer Bigband. Und das ist mein Boss«, sagte Gina und wies auf Dühnfort. Theo schüttelte Dühnfort die Hand und polterte dann die Treppen runter. Gina ließ ihrem Chef den Vortritt in die Wohnung.
    Er folgte dem mit Kokosfaserboden belegten Flur bis zu einem quadratischen Vorplatz. Die Tür zu einem geräumigen Wohnzimmer stand offen. In der Küche holte eine etwa fünfzigjährige Frau gerade ein Backblech aus dem Ofen. Als sie Dühnfort bemerkte, blickte sie auf und lächelte. Sie war die ältere Ausgabe Ginas. Allerdings hatten ihre Augen nicht diese Schokoladenfarbe, sie glichen eher Nougat, und auch das Haar war heller und außerdem von grauen Strähnen durchzogen. Sie stellte das Blech auf die Ablagefläche und wischte sich die Hände an einem Küchentuch ab. Der Geruch nach etwas Angebranntem stieg Dühnfort in die Nase.
    »Darf ich vorstellen, meine Mama«, sagte Gina. »Mama. Mein Boss, der Tino.«
    »Nett, Sie mal kennenzulernen.« Sie reichte Dühnfort die Hand. »Wie war denn der Lehrgang?«
    »Langweilig«, sagte Gina.
    Gleichzeitig sagte Dühnfort: »Sehr interessant.«
    »Ach.« Etwas ratlos blickte Ginas Mutter auf ihre Tochter. »Der Apfelstrudel ist gerade fertig. Wollt ihr ein Stück? Er ist zwar etwas knusprig geworden, aber ich streue Puderzucker darüber. Dann sieht man das nicht so.«
    Ehe Dühnfort sich versah, saß er mit Gina, ihrer Mutter Dorothee, Xenia, einer zweiundzwanzigjährigen Studentin der Filmhochschule, und einem etwa vierzigjährigen Restaurator der Münchener

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