In weißer Stille
Pinakotheken namens Ferdinand am Küchentisch. Es fehlten Theo, der bei der Bandprobe war, und Ginas Vater, um die Runde komplett zu machen. Ginas Vater war S-Bahn-Fahrer und hatte Dienst. Er würde erst gegen sechs Uhr nach Hause kommen.
Backen gehörte nicht zu Dorothees Stärken;
knusprig
war untertrieben, der Strudel war angebrannt. Trotzdem aßen alle mit gutem Appetit. Nur Dühnfort entfernte dieoberste Schicht und legte sie an den Tellerrand, während alle mehr oder weniger durcheinanderredeten. Gina war dabei, einen Vortrag über Forensik zu erfinden, da ihre Mutter unbedingt Details über den Lehrgang wissen wollte. Xenia und Ferdinand diskutierten über Tiefenperspektive in der Malerei und im Film. Dühnfort lehnte sich auf der Eckbank zurück und beobachtete die Runde. Sie erinnerte ihn an früher, als er in Hamburg studiert und ebenfalls in einer WG gelebt hatte. Das war zwanzig Jahre her. Wo war die Zeit geblieben? Was hatte er aus seinem Leben gemacht?
Gina strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fing seinen Blick auf, während sie den nie gehaltenen Vortrag eines forensischen Biologen über das Thema zusammenfasste, wie sich anhand der Verpuppung von Maden bei Leichenfunden der Todeszeitpunkt ermitteln ließ.
»Und das findest du langweilig?«, sagte Dorothee. »Mich würde das interessieren. Kannst du mich nicht mal zu einer Obduktion mitnehmen?«
Gina löste ihren Blick und wandte sich wieder ihrer Mutter zu. »Mama, das geht doch nicht.« Sie stand auf. »Tino und ich müssen noch was besprechen.«
Überrascht erhob sich Dühnfort, bedankte sich für den Strudel und folgte Gina auf den Flur. »Mein Reich«, sagte sie und öffnete eine Tür. Das Zimmer war beinahe quadratisch und hatte ein Fenster und einen kleinen Balkon zum Hinterhof. Die Möbel waren schlicht. Ein Schrank, ein Bett aus Rattangeflecht, das zum Teil von einem Paravent verdeckt wurde, ein Schreibtisch mit Computer, ein Regal voller Bücher und Musik-CDs. Vor dem Fenster standen ein kleiner Tisch und daneben ein Rattansessel mit rotem Sitzpolster. Ein Stapel gebügelterT-Shirts lag auf dem Tisch, zusammengefaltete Slips und BHs auf dem Polster. Gina nahm beide Stapel und verstaute sie im Kleiderschrank. Dann bot sie Dühnfort den Sessel an und setzte sich auf die Bettkante. »Also, was habe ich falsch gemacht?«
Dühnfort schüttelte den Kopf. »Wie kommst du auf die Idee?«
»Dein Blick. Die ganze Zeit schon. Und dann diese steile Falte an der Nasenwurzel. Die hast du nur, wenn du auf mich sauer bist. Also ich wüsste es lieber gleich, dann habe ich es hinter mir.«
Sicher war es besser, das unter vier Augen zu besprechen, dann konnte er es am Montag auf kleiner Flamme kochen. »Ich habe heute mit Frau Ullmann gesprochen. Sie leidet an einer beginnenden Demenz und bringt alles durcheinander.«
Es dauerte eine Sekunde, bis Gina verstand. »Ach du Scheiße. Das heißt, jetzt wissen wir gar nicht, wann Heckeroth überfallen wurde?«
»Warum hast du sie nicht gebeten, ihre Aussage schriftlich zu machen, so wie sich das gehört? Dann wäre dir aufgefallen, dass ihr Gedächtnis sie im Stich lässt.«
Gina zog die Schultern hoch. »Das ist mir irgendwie durchgerutscht.«
Natürlich, dachte Dühnfort. Sie stand unter Druck, sie hatte Angst vor dem bevorstehenden Eingriff. Und diese Angst würde erst enden, wenn das Ergebnis der Biopsie vorlag. Oder aber auch nicht. Dieser Gedanke versetzte ihn für einen Moment in Unruhe. »Es ist, wie es ist. Wir werden den Fall trotzdem lösen.«
»Seid ihr weitergekommen?«
Mittlerweile war Dühnfort sich unsicher, ob Bertram wirklich ein Vatermörder war. »Die Fingerabdrücke ander Heckklappe könnten tatsächlich vom Grillkohlekauf stammen. Aber sein Rad hat im Kofferraum gelegen. Und das muss nach dem 4 . Oktober geschehen sein, als Heckeroths Auto innen geputzt wurde. Bertram hatte allerdings keine Erklärung dafür. Außerdem glaube ich nicht, dass er sich selbst erschossen hat. Sein Handy und sein Laptop sind verschwunden und ebenso eine Flasche Whiskey oder Kognak.«
Gina verschränkte die Arme. »In dem Fall muss man sich als Erstes fragen, ob da ein Zusammenhang besteht. Wusste Bertram etwas über den Mord an seinem Vater? Könnte aber auch sein, dass er sich Feinde gemacht hat, die nicht lange fackeln. Ein netter und umgänglicher Typ war er ja eher nicht.«
»Wir brauchen Handy und Laptop.«
»Und vor allem die Verbindungsdaten.«
»Die werden uns hoffentlich bis
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