In weißer Stille
anhängen, und dabei soll ich Ihnen helfen?«
Eine Welle von Resignation überrollte ihn. Er hatte keine Lust mehr. Was ging ihn dieser ganze Dreck eigentlich an? Warum schmiss er den Krempel nicht einfach hin? Gerechtigkeit war ein unerreichbares Ideal, Wahrheit eine Illusion und er ein lächerlicher Don Quijote. »Ich will mir ein Bild machen. Das ist alles. Es geht auch gar nicht um Heckeroth.«
»Sondern?«
Er berichtete ihr von dem Hinweis aus dem Neuperlacher Krankenhaus und der polizeilichen Befragung des Optikers.
Alex Schimoni erzählte ihm, was damals geschehen war. Sabine Groß hatte gejobbt, nachdem sie das Studium abgebrochen hatte. Mal hier, mal da, meistens als Verkäuferin. Dafür besaß sie ein gewisses Talent. Damals eben bei einem Optiker. »Eines Abends hat sie ihm geholfen, neue Regale aufzubauen, und dabei ist der Kerl mehr als zudringlich geworden. Sabine ist durchgedreht, hat sich das Tapetenmesser gegriffen, das vom Auspacken der Kartons noch herumlag, und ihn am Arm verletzt. Als am nächsten Tag die Polizei auftauchte, ging dem Mann der Arsch auf Grundeis. Der Laden gehörte seiner Frau, und dann rief auch noch Sabine an und sagte, dass sie ihn anzeigen würde. Da hat er den Spieß umgedreht und ihr mit Anzeige gedroht. Er hatte schließlich eine Verletzung als Beweis und sie nichts. Es hat keine zweiMinuten gedauert, bis er Sabine so weit hatte, dass sie seine Lügengeschichte mitmachte. Toller Deal, oder?« Alex beugte sich vor.
»Gut, dann wissen wir das. Und was war mit Bertram Heckeroth?«
»Wieso? Was soll mit dem gewesen sein?«
»Sie hat ihn vor drei Wochen angerufen …«
»Das glaube ich nicht.«
»… nachdem sie ihn zufällig in einem Café getroffen hatte. Das hat sie Ihnen nicht erzählt?«
Alex schüttelte den Kopf.
* * *
Dühnfort fuhr weiter nach Neuperlach, der Trabantenstadt im Osten Münchens. Das Panorama dieses Hochhausgebirges verschwamm im Dunst und wurde zu einem vagen Gebilde. Wie die Gebäude, Schiffe, Brücken in den Gemälden William Turners schienen auch sie ihre Form zu verlieren, sich einer Utopie gleich in Regenschleiern aufzulösen.
Dühnfort parkte im Einkaufszentrum, verließ es durch den westlichen Ausgang und stand kurz darauf vor dem Haus, in dem Diana Waller wohnte, die Frau mit der Bratpfanne. Seinen Besuch hatte er telefonisch angekündigt, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn verstanden hatte, da lautes Kinderlachen im Hintergrund ein Gespräch beinahe unmöglich gemacht hatte. Am Klingelbrett fand er ihren Namen. Zehnter Stock. Durch die offenstehende Haustür gelangte er in ein muffig riechendes Treppenhaus und fuhr mit dem Lift nach oben. Neonlicht beleuchtete den Gumminoppenbelag, auf dem Dühnforts Schritte quietschten. Aus einer Wohnung, an deren Tür ein Aufkleber in Fischform mit der Aufschrift
Waller
klebte,drang Kinderlärm. Dühnfort klingelte. Das Geschrei verstummte. Eine Frau von höchstens fünfundzwanzig öffnete. Sie trug ein Baby auf dem Arm. Dühnfort bemerkte einen Sabberfleck neben der weißen Einfassung ihres marineblauen Pullis. Die blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Hinter ihr lugte ein etwa zweijähriger Junge hervor, der einen gelben Bauarbeiterhelm auf dem Kopf trug und einen Holzhammer in der Hand schwenkte. Dühnfort stellte sich vor.
»Haben Sie gerade angerufen? Tut mir leid wegen des Lärms. Aber wenn ich mit den Kindern nicht auf den Spielplatz kann, haben sie einfach zu viel Energie.« Sie bat ihn herein. Die Wohnung war winzig. Ein enger Flur, in dem Kinderschuhe auf einer Matte in Reih und Glied standen, ein Kinderzimmer, dessen Tür geöffnet war. Auf dem Teppichboden saß ein etwa dreijähriges Mädchen und malte mit Wasserfarben auf einem Bogen Packpapier. Schwarze Locken fielen ihr ins pausbäckige Gesicht. Als Dühnfort vorbeiging, sah sie auf. »Du bist aber kein Zwerg Nase«, stellte sie fest und wandte sich wieder ihrem Bild zu. Diana Waller lachte. »Ich habe ihnen gerade das Märchen vorgelesen«, erklärte sie und sah sich um. »Clara, wo ist denn Sandra?«
»Auf dem Klo. Kacka machen.«
Wie viel Kinder hat sie denn noch?, fragte Dühnfort sich. Die Toilettenspülung rauschte, die Tür wurde geöffnet. Ein blasses Mädchen in grüner Latzhose und buntem Ringelpulli kam hervor. Sie hielt Diana Waller einen Hosenträger entgegen. »Ich kann das nicht zumachen.«
»Könnten Sie vielleicht …« Die junge Frau blickte hilfesuchend zu Dühnfort.
»Wer ist der
Weitere Kostenlose Bücher