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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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folgte ihm mit seinen Gedanken. Der Ball veränderte sich im Flug, verwandelte sich in einen metallenen Haken, einen Dolch, in geschmolzenen Stahl, in flüssige Säure, einen Speer, grub sich in das Gesicht und verschwand. Der Dummy zerbröselte.
    Korda trat ein. »Ihr Schreibtisch hat mir gesagt, daß Sie hier sind.« Er setzte sich auf die Bank, wobei er dem Blick des Bürokraten auswich. Nach einer Weile sagte er: »Diese Muschg. Sie hat mich übertölpelt. Es wird ein halbes Jahr dauern, den Vorgang zu rekonstruieren.«
    »Sie können kaum erwarten, daß ich Verständnis für Ihre Probleme aufbringe. Unter diesen Umständen.«
    »Ich ... äh ... bin bei der Besprechung vielleicht ein wenig aus der Reihe getanzt. Es muß so ausgesehen haben, als wäre ich über die Stränge geschlagen. Ich weiß, daß Sie nichts getan haben, was eine Sondierung rechtfertigen würde.«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Jedenfalls habe ich gewußt, daß Sie sich aus der Schlinge ziehen würden.«
    Korda befahl den Ball zu seiner Hand und drehte ihn um und um, als versuchte er, seine Funktionsweise zu ergründen. »Ich wollte, daß Philippe den Eindruck gewinnt, wir kämen nicht gut miteinander aus. Mit Philippe stimmt irgend etwas nicht. Ich weiß nicht, was ich von dem Verhalten, das er in letzter Zeit an den Tag legt, halten soll.«
    »Man sagt, Philippe leiste hervorragende Arbeit.«
    »So sagt man. Trotzdem, seit ich ihm Ihren Schreibtisch gegeben habe, habe ich mehr Probleme am Hals, als Sie sich vorstellen können. Es geht nicht bloß ums Steinerne Haus, wissen Sie. Der Kulturrat will Ihren Kopf.«
    »Nie davon gehört.«
    »Nein, natürlich nicht. Ich habe Sie vor denen und ihresgleichen beschützt. Der Punkt ist der, daß der Kulturrat von dieser Operation eigentlich nichts wissen dürfte. Ich glaube, Philippe hat nicht dichtgehalten.«
    »Wie käme er dazu?«
    Korda warf den Ball von Hand zu Hand. In beschwichtigendem Tonfall meinte er: »Philippe ist ein guter Mann. Ein kleiner Verleumder, wie Sie wissen, aber trotzdem. Er hat eine ausgezeichnete Akte. Er hatte die Aufsicht über Klonexperimente mit Menschen, bevor der Beratungsausschuß eine selbständige Abteilung daraus machte.«
    »Philippe hat mir erzählt, er wüßte nicht gut über menschliche Klone Bescheid.«
    »Das war, bevor er hierherkam.« Korda schaute hoch. Seine Augen waren von tiefen Falten umgeben, müde und zynisch. »Schauen Sie selbst nach, wenn Sie mir nicht glauben.«
    »Das werde ich.« Dann hatte Philippe ihn also angelogen. Aber wie hatte Korda davon erfahren? Seite an Seite mit diesem fülligen, kränklichen Spinnenkönig sitzend, fühlte der Bürokrat, daß er in großer Gefahr schwebte. Er hoffte, Philippe wäre der Verräter. Alle redeten davon, daß Philippe gut sei, aalglatt, gerissen, aber der Gedanke, Korda zum Gegner zu haben, schreckte ihn. Korda mochte manchmal als Hanswurst erscheinen, aber unter dem aufgedunsenen Äußeren, diesen komischen Gesten, schimmerte kalter Stahl.
    »Chef?« Seine Aktentasche reichte ihm zaghaft den Hörer.
    Er erfuhr folgendes:
    Der Spiegelsaal beförderte den Bürokraten zu den Aufzügen, wo er einen Zug zum himmelswärtigen Rand des Palasts der Rätsel nahm. Er gelangte zu einer Himmelstreppe, deren weiße Marmorstufen wie eine endlose Abfolge von Dominosteinen in die Nacht hinausführten.
    Zu beiden Seiten der Treppe erstreckte sich ein prachtvoller Sternhimmel, die holistische Wiedergabe der von den im Prospero-System verteilten Observatorien aufgefangenen Bilder. Er trat auf das schmale Marmorband hinaus, hinter sich die leuchtende Festung des menschlichen Wissens, vor sich den Ring der Forschungszitadellen. In der Ferne sah man ein paar vereinzelte Reisende. Es war ein langer Weg bis zum Äußeren Kreis, der subjektiv mehrere Stunden in Anspruch nahm. Falls gewünscht, konnte man jemanden einholen, um sich ein wenig zu unterhalten. Er wünschte es nicht.
    »Hallo! Lust auf Gesellschaft?«
    Eine angenehm wirkende Frau eilte auf ihn zu. Sie trug einen seltsamen hohen, gewölbten Hut mit einer schmalen Krempe. Nicht um alles in der Welt wäre er darauf gekommen, welche Art von Interaktion er symbolisierte. »Ist mir ein Vergnügen.«
    Sie paßten ihre Schritte einander an. Weit voraus waren zahllose Datendocks; lange, senkrechte Verästelungen, an deren Enden Kriegsschiffe, Transporter, Frachter und Kampfstationen festgemacht hatten, deren absolute Bewegungen im konventionellen Raum eingefroren waren und die

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