INAGI - Kristalladern
Kireshi gab, die sich mit dem Blut der Amanori einrieben, obwohl sie wussten, was es aus ihnen machte.
* * *
»Heute werden wir den Abend bei der Familie meines Freundes verbringen«, eröffnete Rondar ihr am nächsten Morgen. »Eben hat ein Bote seine Einladung überbracht.« Es war nicht zu übersehen, dass er sich darauf freute, seinen Freund wiederzusehen.
Ishira nickte pflichtschuldig, obwohl sie in Wahrheit ganz andere Pläne hatte. Seit der Bakouran ihr gesagt hatte, dass er seinen Freund besuchen wollte, spukte in ihrem Kopf eine kühne Idee herum. Sie wollte ihn dazu bringen, ohne sie zu gehen, und in seiner Abwesenheit versuchen, an die Landkarte zu kommen.
Nach dem Frühstück zeigte Rondar ihr mehr von der Unterstadt. Als sie an einem Instrumentenbauer vorbeikamen, bestand er darauf, für sie einen Satz neuer Saiten für das Rehime zu kaufen. Eingedenk Kanhiros Warnung wollte Ishira sein Angebot im ersten Moment ablehnen, doch die Verlockung war zu groß. Wer wusste schon, wie lange die jetzigen Saiten hielten? Und es war ja nicht so, als versuchte der Bakouran sie damit zu kaufen. Als sie das Päckchen etwas verlegen entgegennahm, schlug Rondar belustigt vor, sie solle es als Bezahlung dafür ansehen, dass er sie so oft bat, für ihn zu spielen. Dabei kam sie seiner Bitte jedes Mal nur zu bereitwillig nach – glücklich, dass ihm ihr Spiel gefiel und er sie gewähren ließ.
Auf dem Rückweg zur Herberge begann Ishira damit, den ersten Teil ihres Plans umzusetzen, auch wenn sie sich dabei schäbig vorkam, nachdem Rondar sich ihr gegenüber so großzügig gezeigt hatte. Doch auf solche Dinge konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Sie hielt sich den Bauch und lehnte sich mit leidendem Gesicht gegen eine Hauswand. Der Bakouran sprang sofort darauf an. »Geht es dir nicht gut?« fragte er besorgt.
»Mein Bauch tut weh«, schwindelte sie. »Vielleicht habe ich das Essen nicht vertragen.«
»Soll ich nach einem Heiler schicken?«
»Nein, nein«, wehrte sie rasch ab. »Das ist nicht nötig. Ich würde mich nur gern eine Weile hinlegen.«
»Natürlich.«
In der Herberge angekommen, bestellte Rondar bei der Wirtin eine Kanne Tee und brachte Ishira auf ihr Zimmer. Er fühlte sogar ihre Stirn, um festzustellen, ob sie Fieber hatte. Seine Fürsorge war rührend und erneut wallte Scham in ihr auf, dass sie ihm solch eine Lüge auftischte. »Ich werde Pelen sagen, dass ich ihn ein andermal besuche«, sagte er entschieden. »Ich kann dich nicht allein hier lassen.«
»Nein, bitte, Deiro!« widersprach sie ehrlich erschrocken. Würde ihr Plan im letzten Moment doch noch scheitern? »Ihr habt Euch so auf das Wiedersehen mit Eurem Freund gefreut. Bitte, geht zu ihm!« flehte sie ihn an. »Ich weiß, dass Ihr mich eigentlich nicht allein lassen dürft, aber ich verspreche Euch, dass ich das Gasthaus nicht verlassen werde. Ich bin sicher, dass es mir morgen wieder gut geht, wenn ich einfach nur schlafe.«
Er zögerte und gab schließlich nach. »Also gut. Ich werde der Wirtin Bescheid sagen, dass sie nach dir sehen soll.«
Ishira konnte ihr Glück kaum fassen. Die Wirtin würde sie schon irgendwie abwimmeln. »Danke. Aber ich denke, das wird nicht nötig sein. So schlimm ist es wirklich nicht. Genießt Euren Abend und macht Euch um mich keine Gedanken, Deiro.«
Als die Wirtin ihr einige Zeit später den Tee brachte, erklärte Ishira ihr, dass sie sich lediglich etwas den Magen verdorben hätte und zeitig zu Bett gehen würde. Wie sie gehofft hatte, war es der Frau nur recht, dass sie sich nicht weiter um eine Sklavin kümmern musste. Garantiert würde sie sich nicht die Mühe machen, später noch einmal ihren Kopf ins Zimmer zu stecken.
Sicherheitshalber wartete Ishira eine Weile, bevor sie leise die Tür öffnete und hinausspähte. Auf dem Gang war weit und breit niemand zu sehen. Sie huschte hinaus und lief zu Rondars Zimmer. Als sie die Klinke hinunter drückte, musste sie allerdings feststellen, dass die Tür abgeschlossen war. Sie seufzte enttäuscht. Aber hatte sie wirklich etwas anderes erwartet? Hatte der Bakouran nicht vorhin auch ihr noch einmal eingeschärft, ihre Tür zu versperren?
Am Anfang hatte Ishira sich darüber gewundert. Die Inagiri kannten keine Schlösser. Niemandem wäre es in den Sinn gekommen, in ein fremdes Haus einzudringen und etwas daraus zu entwenden. Doch Rondar achtete stets darauf, dass sie nicht vergaß abzuschließen, bevor sie zu Bett ging. Meist wartete er sogar vor
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