INAGI - Kristalladern
Kel«, erklärte er. »Sie greifen ihre Beute mit ihren Fangarmen oder Tentakeln. Gegrillter Kel ist eine Spezialität Inuyaras. Möchtest du sie probieren?«
Als Ishira etwas zögerlich nickte, lachte Rondar. »Keine Sorge, schmeckt wirklich gut.«
Er kaufte für sie beide auf Spießen steckende Kelarme, die mit einer dunklen Sauce bestrichen waren. Mit ihren Tellern setzten sie sich einander gegenüber an einen der leeren Tische. Rondar stützte die Arme auf und ließ es sich schmecken. Ishira kostete der erste Bissen Überwindung, doch ihr Begleiter hatte tatsächlich nicht zu viel versprochen. Das Fleisch besaß zwar eine etwas zähe Konsistenz, aber die Sauce war würzig und aromatisch. Während sie aß, schaute sie immer wieder auf das Meer und die Schiffe. Hier am Hafen zu sitzen, war ein Erlebnis, das sie bestimmt nie vergessen würde. Sie musste unbedingt Kenjin davon erzählen. Ihr Bruder würde Augen machen. Und wenn sie ihm erst die Muschel zeigte! Allerdings verriet sie ihm besser nicht, dass Rondar sie ihr geschenkt hatte.
Die Plätze um sie herum füllten sich nach und nach. Einige Tische entfernt ließ sich eine Gruppe Kireshi nieder. Das erinnerte Ishira daran, dass sie Rondar noch einiges fragen wollte. »Leben viele Kireshi in Inuyara, Deiro?« erkundigte sie sich möglichst beiläufig.
Er nickte. »Der Großteil unserer Truppen ist in der Stadt stationiert. Außerdem gibt es noch die Stadtwache und die Palastwache, die Koshagi. Du hast sie vorhin gesehen.«
Ishira ergriff die Gelegenheit, mehr über die geheimnisvollen Reiter zu erfahren, sofort beim Schopf. »Warum trugen sie alle diese rote Tätowierung auf der Stirn? Ist das ein besonderes Ehrenzeichen?«
Bedächtig drehte er seine Schale mit Mishuo, während er einen kurzen Blick in die Runde warf, als wollte er sicher gehen, dass ihnen niemand zuhörte. »Eher das Gegenteil«, antwortete er gedämpft. »Diese Männer haben sich einst mit dem Blut der Amanori eingerieben, um ihre Kampfstärke zu erhöhen. Durch die Behandlung mit dem Blut ist ihre Haut widerstandsfähiger gegen Verletzungen geworden und sie sind immun gegen die Drachenblitze.« Ishira fiel die Kinnlade herunter. Nahm er sie auf den Arm? »Das Blut hat sich jedoch als zweischneidiges Schwert erwiesen«, fuhr Rondar ernst fort. »Es verändert mehr als nur die Haut. Die Kinder dieser Kireshi kamen beinahe sämtlich mit teils schweren Missbildungen zur Welt. Häufig war ein Teil ihres Körpers von Schuppen bedeckt wie bei den Drachen. Daraufhin mussten alle Kireshi, die das Blut angewendet hatten, bei ihrem Leben schwören, niemals mehr bei einer Frau zu liegen und Kinder zu zeugen. Ihretwegen gründete der Marenash die Einheit der Koshagi. Ihr Name bedeutet ‚Paladin‘. Das klingt nach einem Ehrentitel, aber Ashak hat die Koshagi hauptsächlich deshalb zu seiner Palastwache ernannt, um ein Auge auf sie zu haben, obwohl es an sich sinnvoller wäre, sie in den Forts einzusetzen.«
Ishira hatte seiner Geschichte mit ungläubiger Faszination gelauscht. Zwitterwesen aus Mensch und Amanori? »Was wurde aus den Kindern?«
»Viele kamen bereits tot zur Welt oder starben kurz nach der Geburt. Die übrigen ließ der Marenash töten, weil die Leute Angst vor ihnen hatten.«
Sie riss entsetzt die Augen auf. »Waren sie wirklich so furchterregend?«
Rondar machte eine unbestimmte Bewegung mit seinem abgegessenen Spieß. »Ich habe nur einmal einen solchen Zwitter gesehen und mir tat der kleine Junge eher Leid. Seine Beine waren so verkrüppelt, dass er niemals ohne Schmerzen hätte laufen können – wenn überhaupt. Vielleicht war die Entscheidung des Marenash letzten Endes sogar ein Akt der Gnade.«
Ishira nickte nachdenklich. »Dann hat der Statthalter den Kireshi bestimmt verboten, sich mit dem Blut einzureiben, nicht wahr?«
Der Bakouran schnaubte. »Das sollte man meinen, aber tatsächlich ist es weiterhin gestattet, wenn auch unter strengen Auflagen.«
»Sieht man es den Kireshi an, dass sie sich mit dem Blut der Amanori eingerieben haben?« fragte sie weiter. »Ich meine, sieht ihre Haut irgendwie anders aus?«
Rondar zuckte mit den Schultern. »Angeblich fühlt sie sich anders an, aber zu sehen ist die Behandlung, soweit ich weiß, nicht. Ich kann dir darüber nicht viel sagen, ich hatte nie näheren Kontakt zu den Koshagi.«
Damit musste sie sich zufrieden geben. Während sie sich den letzten Rest Sauce vom Finger leckte, fragte Ishira sich, ob es tatsächlich noch
Weitere Kostenlose Bücher