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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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höher waren als bei den fahrenden Händlern in Soshime oder in den Forts. Schließlich schaltete sich Rondar ein. Ohne dass Ishira wusste, wie ihr geschah, hatte sie auf einmal so viel Stoff, dass außer der Landkarte tatsächlich noch zwei Hemden abfallen dürften. Und das für nicht viel mehr als den Betrag, den der Händler zuvor von ihr für die Hälfte des Stoffes gefordert hatte. Nachdem sie das Geschäft verlassen hatten, bedankte sie sich bei ihrem Begleiter für seine Hilfe, aber er winkte nur ab.
    Als sie um eine weitere Straßenecke bogen, sah Ishira sich wieder der Stadtmauer gegenüber. Durch das Tor vor ihnen schimmerte das Meer. Wenige Schritte später stand sie am Hafen und sog das Panorama begierig in sich auf. So etwas wie das hier hatte sie noch nie gesehen: Wasser, soweit das Auge reichte. Wenn sie jemals ans Meer gedacht hatte, war es immer nur ein Wort gewesen, dem sie kein Bild hatte zuordnen können.
    Das Wasser lag unbeweglich da wie ein Kristall von unendlicher Ausdehnung. In der flirrenden Hitze des späten Nachmittags war es so gut wie unmöglich zu sagen, wo das Meer aufhörte und der Himmel anfing. Es war wunderschön und erschreckend zugleich. Ishira hatte Angst, sich darin zu verlieren, wenn sie zu lange auf die schimmernde Oberfläche starrte. Sie blinzelte und richtete ihren Blick auf den Horizont. Es fiel ihr schwer sich vorzustellen, dass irgendwo jenseits dieser unfassbaren Weite die Heimat der Gohari lag und dass die Eroberer das Abenteuer gewagt hatten, sich der spiegelnden Endlosigkeit anzuvertrauen.
    Die Luft schmeckte ein wenig salzig und roch intensiv nach Fisch. Ein leichter Wind kam auf und kräuselte das Wasser zu kleinen Wellen, die mit klatschendem Geräusch gegen die Mauer unter ihren Füßen schlugen. Rechts von ihr ragten in einiger Entfernung mehrere gewaltige hölzerne Konstruktionen aus dem Wasser. An Pfählen so hoch wie dreigeschossige Häuser waren gewaltige Stoffbahnen befestigt, die sich in der Brise blähten und mit einem knatternden Geräusch gegen die Seile schlugen, die zwischen den Pfählen gespannt waren. Auf den langen Brettern, die die Holzbauten mit dem Ufer verbanden, waren Schlangen von Männern unterwegs, die Säcke und Kisten auf den Schultern schleppten. Viele von ihnen waren dunkelhäutig, also offensichtlich Sklaven.
    »Das dort drüben sind die Schiffe, die die Kristalle und andere Waren zum Festland transportieren« sagte Rondar, der ihrem Blick gefolgt war.
    Ishira wandte sich ihm zu. Damit befuhren die Gohari das Meer? »Wie weit ist es nach Gohar, Deiro?«
    »Wenn das Wetter günstig ist, braucht man etwa sechs Tage.«
    »Wart Ihr oft dort?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe die Überfahrt nur ein einziges Mal gewagt. Als junger Mann bin ich ein Jahr lang bei einem berühmten Schwertmeister in die Lehre gegangen, der in der Einöde der westlichen Wälder lebte. Seinen Kampfstil habe ich später hier auf Inagi unterrichtet.« Er nickte zu den bauchigen Konstruktionen hinüber. »Auf der Rückfahrt geriet mein Schiff in einen Sturm. Wir wurden auf den Wellen hin und her geworfen wie eine Nussschale. Ich kann dir sagen, ich habe mich nie in meinem Leben so elend gefühlt. Als wir endlich hier im Hafen landeten und ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, schwor ich mir, dass mich keine zehn Pferde noch einmal auf die Planken eines Bootes bringen würden.«
    Ishira verursachte schon der bloße Gedanke, tagelang nichts als Wasser um sich herum zu haben, Gänsehaut. »Wie sieht es in Gohar aus?« wollte sie wissen.
    »Es gibt ganz unterschiedliche Landstriche«, beantwortete Rondar ihre Frage. »Das Land ist um einiges größer als Inagi. Der Norden ist bergig und waldreich und im Winter schneit es für gewöhnlich. Je weiter man nach Süden kommt, desto trockener und wärmer wird es. Im äußersten Südosten regnet es so gut wie nie und es gibt nicht viel mehr als Felsen und Sand. Habe ich jedenfalls gehört.«
    Ishiras Ohren waren über ein unbekanntes Wort gestolpert. »Was bedeutet das: im Winter schneit es?«
    Ihr Begleiter schmunzelte. »Schnee, das sind weiße Flocken, die anstelle von Regen vom Himmel fallen, wenn es sehr kalt ist«, erklärte er. »Der Schnee hüllt das Land ein wie eine Decke. Manchmal versinkt man knietief darin.«
    Sie versuchte, sich eine solche Schneelandschaft vorzustellen. »Wie fühlt sich Schnee an? Ist er weich?«
    Rondar lachte. »Du kannst Fragen stellen! Lockerer Schnee ist wie Asagimehl. Aber

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