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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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Nachdem Kinomi erzählt hatte, wie sie mich gefunden hatte, war für die Kireshi klar, dass meine leibliche Mutter mich hatte loswerden wollen. Und so wuchs ich bei Hagare und Kinomi auf.«
    Nachdem Ishira als Kind die Wahrheit erfahren hatte, hätte sie eine Weile lang alles dafür gegeben zu wissen, woher sie kam und wer ihre wirklichen Eltern waren. Kinomi hatte vermutet, dass ihre Mutter eine Inagiri aus einem höher in den Bergen gelegenen Dorf war, die sich aus welchen Gründen auch immer mit einem der Kireshi eingelassen hatte oder von diesem sogar zum Beischlaf gezwungen worden war. Möglich war allerdings auch, dass ihre Mutter eine Gohara aus einem der anderen Forts war, die sich umgekehrt mit einem Bergmann vergnügt hatte und dabei zu weit gegangen war. Wenn Kinomis Annahme, dass der Ashikiri sie angespült hatte, zutraf, musste sie jedenfalls den Göttern danken, dass sie die Fahrt auf dem Fluss heil überstanden hatte.
    Aber welche Möglichkeiten kamen sonst in Betracht? Es war ausgeschlossen, dass ihre Mutter aus Soshime stammte. Niemals hätte sie ihre Schwangerschaft dermaßen gut verbergen können. Klatsch und Tratsch machten im Dorf schneller die Runde, als der Herbstwind ein welkes Blatt durch die Gassen wehte. Nicht viel größer war die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Mutter aus dem Fort kam. Bestimmt wäre auch in diesem Fall zumindest ein Gerücht durchgesickert.
    Als Kind hatte Ishira allerdings nicht glauben wollen, dass ihre Mutter – ob Inagiri oder Gohara – sie kaltherzig dem Wohlwollen des Himmels überantwortet hatte, um sich die Schande zu ersparen, mit einem Mischling dazusitzen. Sie hatte ein Dutzend verschiedene Gründe erfunden, warum ihre Eltern sie hatten weggeben müssen, obwohl sie sie liebten, oder dass sie ihnen durch ein grausames Schicksal entrissen worden war. Doch als sie älter wurde, hatte sie aufgehört, sich selbst etwas vorzumachen. Das Verlangen, ihre leiblichen Eltern kennen zu lernen, war immer schwächer geworden und irgendwann ganz erloschen. Die einzigen Eltern in ihrem Leben, die diese Bezeichnung und ihre Liebe verdienten, waren Kinomi und Hagare gewesen.
    Pure Neugier bewog Ishira dazu, ihrem Begleiter eine Frage zu stellen. »Was wäre geschehen, wenn Hagare und Kinomi mich nicht aufgenommen hätten? Was hätten die Gohari getan?«
    Rondar räusperte sich, als wäre ihm die Frage unangenehm. »Ein Kind, dessen Eltern unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten angehören, erbt in der Regel den Status des Elternteils, der den niederen Stand hat. Ein Mischlingskind bleibt also ein Sklave, es sei denn, der goharische Elternteil bekennt sich ausdrücklich zu dem Kind, was aber so gut wie nie vorkommt«, erklärte er ihr. »Gewöhnlich wachsen diese Kinder bei ihren Müttern in den Bergwerkssiedlungen auf. Ich bin mir nicht sicher, welche Lösung man in deinem Fall gefunden hätte, aber ich schätze, die Kireshi hätten für dich irgendeine andere inagische Familie gesucht. Oder deine Zieheltern gezwungen, dich zu behalten.«
    Ishira nickte. Sie hatte mit einer solchen Antwort gerechnet. Wenn sie als Kind von den anderen Kindern gehänselt worden war, hatte sie sich zwar manchmal vorgestellt, wie es wäre, bei den Gohari aufzuwachsen. Sie hatte sich gewünscht, dass die Kireshi sie damals heraus verlangt hätten, hatte sich gefragt, ob sie nicht ein besseres Leben hätte führen können. Ein Leben, in dem sie keine Sklavin gewesen wäre. Aber wirklich daran geglaubt hatte sie eigentlich nie. Außerdem war kaum anzunehmen, dass die Gohari sie als Halbblut besser behandelt hätten als die Inagiri. Im Gegenteil – welche goharischen Zieheltern hätten ihr mehr Liebe entgegenbringen können als Hagare und Kinomi? Und, nicht zu vergessen, wären dann weder Kanhiro noch Kenjin in ihr Leben getreten.

    * * *

    Starr blickte Kanhiro in die Flammen, die den Leib seines Vaters verzehrten. Die Menschen um ihn herum nahm er kaum wahr. Er wusste nicht einmal, wie er die rituellen Worte hinter sich gebracht hatte, mit denen er seinen Vater der Obhut der Götter anvertraut hatte. Togawas Seele stieg nun mit dem Rauch in die himmlischen Gefilde auf und bald würde dort oben ein weiterer Stern blinken.
    Kanhiros Augen brannten, aber schuld war nicht der Rauch. Sobald er die Lider schloss, sah er wieder, wie die Felsmassen auf seinen Vater herabstürzten. Er presste die Finger gegen die Schläfen, um die schrecklichen Bilder zu vertreiben, aber es half nichts. Noch immer

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