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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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ironische Starren aus Finns Albträumen, und er erkannte es. Mit heiserer Stimme fragte er: »Du?«
    Hinter ihm hörte er Gildas’ Keuchen. »Schlag zu! Schlag zu, Finn!«
    Das Auge war ein verschwommener Wirbel. Seine Pupille war eine bewegte Spirale, eine scharlachrote Galaxie. Ringsherum zuckte es in der Dunkelheit, als würde sich etwas erheben. Finn sah, dass die riesige Hautfläche des Biestes mit allen möglichen Gegenständen gespickt war, mit Juwelen, Knochen, Kleiderfetzen und den Schäften von Waffen  – alles Jahrhunderte alt. Fleisch und Haut waren inzwischen halb darübergewachsen. Mit einem Reißen und Knirschen löste sich ein Vorsprung aus
dunklem Stein mit Facetten, die wie Schuppen aussahen, und wurde zu einem Kopf, der hoch über Finn aufragte. Metalldornen glitten heraus wie Krallen an Klauen und durchfurchten den vibrierenden und schwankenden Boden der Höhle.
    Finn konnte sich nicht bewegen. Staub und Qualm schlugen über ihm zusammen.
    Â»Schlag zu!« Gildas packte ihn am Arm.
    Â»Das ist sinnlos. Siehst du denn nicht …?«
    Gildas stieß einen zornigen Schrei aus, riss Finn das Schwert aus den Händen und rammte es dem Biest in die ausgebeulte Haut. Dann machte er einen Satz zurück, als ob er erwartete, dass sich ein wahrer Schwall von Blut über ihn ergießen würde. Er erstarrte, als er sah, was Finn bereits vor ihm erblickt hatte.
    Da war keine Wunde. Die Haut öffnete sich einen klaffenden Spalt weit, absorbierte die Klinge und schloss sich dann wieder darum. Das Biest war ein Wesen, das sich aus vielen zusammensetzte, eine mahlende, wuselnd flinke Formation aus Millionen von Kreaturen, von Fledermäusen und Käfern und dunklen Schwärmen von Bienen, und es bestand aus einem sich stetig verändernden Kaleidoskop aus Steinfragmenten, Knochen und Metallstücken. Als es sich drehte und sich bis zum Dach der Höhle erhob, sahen Finn und Gildas, dass es im Laufe der Jahrhunderte alles Entsetzen und alle Ängste der Stadt in sich aufgenommen hatte. Alle Tribute, die ausgeschickt worden waren, um es friedlich zu stimmen, waren verschlungen worden und hatten dafür gesorgt, dass das Biest nur noch weiter gewachsen war. Irgendwo in seinem Innern bestand es aus den Milliarden Atomen der Toten, der Opfer und der Kinder, die aufgrund des Erlasses der Richterinnen hierhergeschleift worden waren. Es war eine zusammenhängende Masse aus Fleisch und Metall, und der bröckelige Schwanz des Ungetüms war mit Fingernägeln, Zähnen und Krallen gespickt.

    Der Kopf des Biestes ragte über Finn und Gildas auf, dann bog sich der Hals, und das große, rote Auge war kurz vor Finns Gesicht, sodass seine Haut scharlachrot aufleuchtete und seine zitternden Hände aussahen, als wären sie rot von Blut.
    Â»Finn«, sagte das Biest im Ton äußerster Befriedigung, die wie ein klebriger Sirup tief aus der heiseren Kehle aufzusteigen schien. »Endlich.«
    Finn machte einen Schritt zurück und stieß mit Gildas zusammen. Die Hand des Sapienten schloss sich um seinen Ellbogen. »Du kennst meinen Namen.«
    Â» Ich habe dir deinen Namen gegeben.« Eine Zunge schoss aus der dunklen Höhle, die sein Maul war. »Ich habe ihn dir vor langer Zeit gegeben, als du in meinen Zellen geboren wurdest. Damals, als du mein Sohn wurdest.«
    Ein Schauder lief Finn über den Rücken. Er wollte alles abstreiten, seinen Protest herausschreien, aber er brachte kein Wort über die Lippen.
    Die Kreatur legte den Kopf schräg und musterte ihn. Sein längliches Maul, aus dem sich zunächst Bienen und anderes Getier lösten, zerfiel schließlich gänzlich zu einer Wolke aus Libellen und setzte sich dann wieder neu zusammen. »Ich wusste, dass du kommen würdest«, sagte das Biest. »Ich habe dich beobachtet, Finn, weil du etwas Besonderes bist. In all den Innereien und Adern meines Körpers, unter all den Millionen von Wesen, aus denen ich bestehe, gibt es keinen, der dir gleicht.«
    Der Kopf kam noch näher. Etwas wie ein Lächeln zeigte sich und verschwand wieder. »Glaubst du denn wirklich, du könntest mir entfliehen? Hast du vergessen, dass ich dich töten könnte, indem ich dir das Licht und die Luft entziehe? Ich kann dich innerhalb von Sekunden einäschern.«
    Â»Das habe ich nicht vergessen«, brachte Finn hervor.
    Â»Die meisten Menschen wollen sich

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