Incarceron
FuÃboden unter ihren FüÃen schien sich waagerecht auszurichten, und die Wände rückten in eine senkrechte Position. Selbst die Luft schien sich in dem Raum zu verändern und wurde trockener und kühler. Da war keine Spur mehr von den feuchten Ausdünstungen des Kellers.
Claudia drehte sich um und sah Jared an.
»Also, das eben war wirklich sehr seltsam«, sagte er. »Das war eine Raumverschiebung. Ich habe es ja schon einmal gesagt: Es ist so, als ob dieser Raum und der Keller nicht unmittelbar ⦠aneinander angrenzen würden.«
Er betrat hinter Claudia den Raum, und sie sah, wie sich seine dunklen Augen weiteten. Doch da sie selber fast krank vor Enttäuschung war, kümmerte sie sich nicht darum.
»Warum braucht mein Vater hier eine Kopie seines Arbeitszimmers?« Sie lief zum Schreibtisch und trat verärgert dagegen. »Der hier sieht auch nicht häufiger benutzt aus als der andere.«
Jared schaute sich fasziniert um. »Ist es wirklich exakt der gleiche Raum?«
»Bis ins letzte Detail.« Sie stützte sich mit den Händen auf den Tisch und sagte das Passwort: »Incarceron.« Die Schublade
öffnete sich. Wie erwartet, lag im Innern ein Kristallschlüssel, der genauso aussah wie ihr eigener. »Er hat sowohl zu Hause als auch hier einen Schlüssel. Aber das Gefängnis ist irgendwo anders.«
Als Jared die Bitterkeit in ihrer Stimme hörte, warf er ihr einen besorgten Blick zu und trat neben sie. Leise sagte er: »Quäl dich nicht selbst â¦Â«
»Ich habe Finn gegenüber behauptet, ich hätte den Weg ins Gefängnis hinein gefunden!« Frustriert und wütend wandte sie sich ab und schlang die Arme um ihren Körper. »Und was wollen wir jetzt machen? Morgen werde ich mit Caspar verheiratet oder wegen Hochverrats gehenkt werden.«
»Oder du wirst Königin sein«, fügte Jared trocken hinzu.
Sie starrte ihn an. »Oder Königin sein. Nach einem Blutbad, das mich bis ans Ende meines Lebens verfolgen wird.«
Sie begann, durch den Raum zu laufen und sich die surrenden, silbernen Maschinen anzuschauen. Hinter sich hörte sie Jared sagen: »Nun, wenigstens wird dann â¦Â«
Er brach ab.
Als er den Satz nicht beendete, drehte sie sich um und sah, dass er sich über die offene Schublade mit dem Schlüssel darin gebeugt hatte. Langsam richtete er sich wieder auf und lieà seinen Blick zu Claudia wandern. Als er sprach, war seine Stimme heiser vor Aufregung.
»Dies ist keine Kopie. Es ist derselbe Raum .«
Sie starrte ihn an.
»Komm her, Claudia. Komm und sieh dir das an.«
Der Schlüssel lag auf dem schwarzen Samt. Als Jared die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, glitten seine Finger ungehindert durch ihn hindurch und landeten auf dem weichen Tuch darunter, wie Claudia mit ungläubiger Miene beobachtete.
Es war ein Holo-Bild.
Das Holo-Bild, das sie selbst dort hinterlassen hatte.
Sie trat einen Schritt zurück und schaute sich um. Dann bückte sie sich rasch und suchte den Boden rings um die Stuhlbeine herum ab. »Wenn es derselbe Raum ist, müsste da â¦Â« Sie sog die Luft ein, dann sprang sie mit einem verblüfften Murmeln auf. In der Hand hielt sie ein winziges Stückchen Metall. »Das hat vorher auch schon dort gelegen! Aber wie kann das möglich sein? Wie kann das dasselbe Zimmer sein? Das andere befindet sich doch zu Hause, meilenweit von hier entfernt.« Sie starrte zur offenen Tür und in den schummrigen Kellerraum des Palastes dahinter.
Jared schien seine Angst vergessen zu haben. Sein schmales Gesicht strahlte vor Aufregung. Er nahm das Metallstück und musterte es eingehend, dann holte er ein kleines Plastiktütchen aus einer Tasche in seinem Umhang und verstaute den Splitter darin. SchlieÃlich richtete er seinen Scanner auf den Stuhl. »Irgendetwas ist hier sonderbar. Die Raumverschiebung scheint stärker zu sein.« Verdrossen runzelte er die Stirn. »Ah, wenn wir doch nur bessere Instrumente hätten, Claudia. Wenn die Sapienti in all den Jahren doch bloà nicht so durch das Protokoll eingeschränkt gewesen wären!«
»Ist dir aufgefallen«, begann Claudia, »dass der Stuhl auf dem Boden befestigt ist?«
Sie hatte es zuvor nicht bemerkt, aber tatsächlich waren Metallspangen zu erkennen, die den Stuhl in seiner Position festhielten. Claudia lief einmal um ihn herum. »Und warum an
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