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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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das.« Er blickte hoch. »Was ist, wenn ich gar nicht wirklich Giles bin? Dieses Bild… So sehe ich nicht aus. Ich bin nicht dieser Junge.«
    Â»Aber du warst es einst.« Ihre Stimme klang störrisch; sie kniff die Augen zusammen, um Finn besser sehen zu können, und die Seide ihres Kleides raschelte. »Sieh mal, ich will Caspar nicht heiraten müssen. Aber was unsere Verlobung von damals angeht: Wenn du erst mal gerettet und frei bist … nun ja, wir müssen nicht heiraten. Attia hat sich geirrt. Ich bin nicht nur egoistisch.« Sie lächelte schief. »Wo steckt sie überhaupt?«

    Â»Ich denke, sie schläft.«
    Â»Ihr liegt etwas an dir.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben sie gerettet. Sie ist nur dankbar.«
    Â»So nennst du das also?« Claudia starrte vor sich hin. »Lieben sich die Menschen in Incarceron, Finn?«
    Â»Vielleicht tun sie das irgendwo, aber ich habe davon noch nichts gesehen.« Doch dann dachte er an die Maestra und schämte sich. Einen Moment lang herrschte unbehagliches Schweigen. Claudia konnte die Mägde im Nachbarzimmer schwatzen hören; hinter Finn erahnte sie einen kleinen Raum mit einem vereisten Fenster, durch das ein gedämpftes, künstliches Zwielicht hereinfiel. Außerdem war da ein merkwürdiger Gestank, der ihr in die Nase stieg, und als sie kurz und scharf die Luft einsog, sah Finn sie verwundert an. Es war ein modriger, unangenehmer Geruch mit einem bitteren, metallischen Stich  – wie Luft, die eingeschlossen war und in endloser Folge wiederverwertet wurde. Claudia ließ sich auf die Knie nieder. »Ich kann das Gefängnis riechen.«
    Finn starrte sie an. »Aber hier riecht es nach nichts. Und außerdem, wie …«
    Â»Ich weiß es nicht, aber ich kann es.«
    Sie sprang auf, verschwand kurz außer Sichtweite und kam dann mit einem winzigen Glasflakon zurück, den sie entkorkte, um etwas vom flüssigen Inhalt ins Sonnenlicht zu sprühen.
    Klitzekleine Tröpfchen schimmerten zwischen den Staubflocken.
    Finn schrie auf, denn der Geruch war intensiv und stark, und er schnitt wie ein Messer in seine Erinnerung. Er schlug sich die Hände vor den Mund und atmete immer und immer wieder durch die Nase ein, während er sich mit geschlossenen Augen zum Nachdenken zwang.

    Rosen. Ein Garten voller gelber Rosen.
    In einem Kuchen steckt ein Messer, das er niederdrückt, er schneidet den Kuchen, und es ist ganz leicht. Er lacht. An seinen Fingern kleben Krümel. Süßer Geschmack liegt auf seiner Zunge.
    Â»Finn? Finn!« Claudias Stimme holte ihn aus weiter Ferne zurück. Sein Mund war trocken, und er konnte das warnende Prickeln auf seiner Haut spüren. Er zitterte und zwang sich, sich zu beruhigen und langsamer zu atmen, damit der Schweiß auf seiner Stirn abkühlte.
    Claudia war ganz nahe bei ihm. »Wenn du die Tropfen riechen kannst, dann müssen sie irgendwie zu dir reisen, oder? Vielleicht kannst du mich jetzt auch berühren? Versuch es mal, Finn.«
    Ihre Hand lag unmittelbar neben seiner. Finn wollte danach greifen und schloss seine Finger um ihre, doch sie glitten einfach durch ihre Hand hindurch. Da war nichts, keine Wärme, kein Gefühl. Finn lehnte sich wieder zurück, und beide schwiegen.
    Es war Finn, der die Stille schließlich brach: »Ich muss irgendwie hier rauskommen, Claudia.«
    Â»Das wirst du auch.« Mit wild entschlossenem Gesicht setzte sie sich auf. »Ich schwöre dir, ich werde nicht aufgeben. Und wenn ich zu meinem Vater gehen und ihn auf den Knien anflehen muss, dann werde ich das tun.«
    Plötzlich sah sie sich um. »Alys ruft. Warte auf mich.«
    Das Licht, das vom Schlüssel ausging, erlosch.
    Â 
    Finn blieb zusammengekauert sitzen, bis er ganz steif war. Er fühlte sich jetzt unerträglich einsam in dem Raum. Mühsam stand er auf, steckte den Schlüssel in seinen Mantel, ging hinaus und stürmte die Treppe hinunter in die Bibliothek, wo Gildas aufgebracht hin und her lief. Blaize beobachtete ihn über einen Tisch hinweg, auf dem sich Lebensmittel türmten. Als er Finn sah, erhob sich der dünne Sapient.

    Â»Unser letztes gemeinsames Mahl«, sagte er und machte eine einladende Geste mit der Hand.
    Misstrauisch beäugte Finn ihn. »Und was passiert dann?«
    Â»Dann werde ich Euch alle an einen sicheren Ort bringen, damit Ihr Eure Reise fortsetzen

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