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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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dieser Stelle? Er steht viel zu weit vom Tisch entfernt. Hier gibt es nichts als dieses Licht von oben.«
    Beide starrten zur Decke. Ein schmales, schwach bläuliches Licht fiel nur auf den Stuhl, auf nichts sonst. Es war kaum hell genug, dass man in seinem Schein etwas hätte lesen können.
    Ein eisiger Gedanke durchfuhr Claudia. »Meister. Dies ist doch wohl … keine Folterkammer, oder?«

    Zunächst antwortete Jared nicht, und als er Worte fand, war Claudia dankbar für seinen bedächtigen Ton. »Das bezweifle ich. Es gibt keine Fesseln, keine Anzeichen für Gewalt. Glaubst du denn, dein Vater würde auf solche Methoden zurückgreifen?«
    Darauf wollte sie nichts erwidern. Stattdessen sagte sie: »Wir haben hier jetzt alles gesehen. Lass uns wieder verschwinden.« Es war bereits nach Mitternacht. Mit all ihren Sinnen lauschte sie auf Schritte.
    Jared nickte zögernd. »Und doch birgt dieser Raum Geheimnisse, Claudia. Ich würde alles in der Welt dafür geben, sie zu lüften. Möglicherweise gibt es hier doch einen Durchgang, und wir sehen ihn vielleicht nur nicht.«
    Â»Jared. Das reicht.«
    Claudia lief zum Tor und trat hindurch. Im düsteren Keller war alles still, und die Alarmvorrichtungen waren noch an Ort und Stelle, wie sie sie zurückgelassen hatten. Trotzdem wurde Claudia von plötzlichem Entsetzen und von der übermächtigen Furcht überfallen, dass dunkle Gestalten sie beobachten könnten, dass Fax hier wäre, dass ihr Vater dort in den Schatten stünde, wo sie sich einst verborgen hatte, und dass das Tor mit einem Mal zuschlagen könnte und Jared im Innern einsperren würde. Sie zerrte ihren Lehrer so hastig hinaus, dass er beinahe gestolpert wäre.
    Dann riss Claudia mit fliegenden Händen den Schlüssel aus dem Loch und sah zu, wie sich das Tor mit einem kaum hörbaren Klicken schloss. Die Ketten rutschten wieder an ihre ursprünglichen Plätze zurück, und die Schnecken setzten ihren unermüdlichen, schleimigen Weg über die zerzausten Flügel des Adlers fort.
    Â 
    Claudia schwieg, als sie der dunklen Gestalt des Sapienten durch die Reihen der aufgetürmten Fässer hindurch folgte, denn die
Enttäuschung und das bittere Gefühl, versagt zu haben, hatten ihr die Sprache verschlagen. Was würde Finn jetzt von ihr denken? Keiro würde in sein verächtliches Lachen ausbrechen, und dieses Mädchen würde höhnisch lächeln. Und was sie selber anging, so blieb ihr nur noch ein einziger Tag in Freiheit.
    Â 
    Am Kopf der Treppe zupfte sie Jared am Ärmel, damit er stehen bliebe. »Wir sollten getrennt zurückkehren, Meister. Man sollte uns lieber nicht zusammen sehen.«
    Er nickte, und in der Dunkelheit konnte sie sehen, dass ihm eine leichte Röte in die Wangen stieg. »Du gehst zuerst. Und sei vorsichtig.«
    Sie bewegte sich nicht, und ihre Stimme klang trostlos. »Es ist alles vorbei, nicht wahr? Alles ist zu Ende. Finn wird für immer und ewig an diesem Ort verrotten.«
    Jared lehnte sich gegen eine Steinsäule und holte tief Luft. »Nicht verzweifeln, Claudia. Incarceron ist ganz nah. Da bin ich mir sicher.« Er holte etwas aus seiner Tasche, und zu ihrer Überraschung sah sie, dass es der winzige Metallsplitter war, den sie vom Boden aufgelesen hatte und der jetzt sicher in seiner Plastikverpackung lag.
    Â»Was ist das?«
    Â»Ich habe keine Ahnung. Aber ich werde mich morgen in den hiesigen Sapienten-Turm zurückziehen und einige Tests machen.«
    Â»Du hast es gut!« Sie drehte sich mit verbitterter Miene um. »Ich habe nichts anderes zu tun, als mein Hochzeitskleid anzuprobieren.«
    Sie verschwand, ehe er etwas antworten konnte, huschte die Treppe hinauf und bog in den kerzenerleuchteten Flur ein, wo sie von der mitternächtlichen Stille und dem immerwährenden Murmeln des Palastes empfangen wurde.

    Jared drehte den winzigen Splitter zwischen seinen Fingerspitzen.
    Dann strich er sein feuchtes Haar zurück und atmete langsam aus. Einen Moment lang hatten ihn die sonderbaren Eigenschaften des Raumes seine Schmerzen vergessen lassen. Nun jedoch kehrten sie zurück, schlimmer als jemals zuvor. Als ob sie ihn bestrafen wollten!
    Â 
    Stundenlang bekamen sie Blaize nicht mehr zu Gesicht. Er schien verschwunden zu sein, aber Finn hatte keine Ahnung, wohin.
    Â»Es gibt einen Bereich hier in diesem Turm, den wir noch nicht gefunden

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