Incarceron
fest und versuchten, das Schiff auf Kurs zu halten, und sie duckten sich, um wenigstens ein bisschen Schutz zu finden. Um sie herum flogen Gegenstände durch die Luft, von denen sie immer wieder auch getroffen wurden: Metallteile, Blätter und alle Arten von Geröll prasselten wie Hagelkörner auf sie nieder. Dann kam ein Schauer aus winzigen, weiÃen Körnern, Glasteilchen, Bolzen und Steinen, und das alles durchschlug die Segel.
Finn fuhr herum.
Er sah Gildas, der flach hinter dem Hauptmast lag, sich festklammerte und einen Arm um Attia geschlungen hatte. »Bleibt dort«, schrie Finn ihnen zu.
»Der Schlüssel.« Gildasâ Ruf wurde vom Wind beinahe davongetragen.
»Lass ihn mich nach unten bringen. Wenn du über Bord gehst â¦Â«
Finn wusste, dass Gildas recht hatte. Und doch hasste er es, sich vom Schlüssel trennen zu müssen.
»Tu es«, knurrte Keiro, ohne den Kopf zu drehen.
Finn lieà das Steuerrad los.
Sofort wurde er vom Sturm zurückgeworfen, stolperte und rutschte über das Deck. Und das Gefängnis schnappte zu; er spürte, wie es sich auf ihn konzentrierte, und er schrie voller Angst auf, während er sich herumdrehte.
Aus dem Auge des Sturms löste sich ein Adler und sauste vom Himmel herab, schwarz wie die Gewitterwolken, und seine Klauen knisterten von den Blitzen. Der Raubvogel schoss auf Finn zu, bereit, ihm den Schlüssel wegzuschnappen.
Finn krabbelte weiter und bekam ein Gewirr von Seilen zu fassen; das nächstbeste Tau umklammerte er und benutzte es wie eine Peitsche. Das geteerte Ende lieà er so durch die Luft sausen, dass er damit den Adler beinahe an der Brust getroffen hätte. Dieser geriet ins Schlingern, wurde abgelenkt, stieg hoch in die Luft hinauf und raste dann wieder herab zu Finn.
Mit einem Satz sprang Finn auf und stürzte an Gildas vorbei, um unter Deck Schutz zu suchen.
»Er kommt zurück«, schrie Attia.
»Er will den Schlüssel.« Gildas duckte sich noch tiefer. Regen peitschte auf sie nieder, wieder polterten Donnerschläge, und dieses Mal war es eine weithin hörbare Stimme, ein gewaltiges, zornerfülltes Grummeln, das von weit weg und hoch über ihnen kam.
Der Adler setzte zum Sturzflug an. Keiro, der noch immer das Steuerrad festhielt und dem Angriff deshalb ausgeliefert war,
versuchte, sich ganz klein zu machen. Sie sahen, wie der Vogel kreiste und wütend kreischte, den Schnabel weit aufgerissen. Dann, ganz plötzlich, drehte er nach Osten ab und flog davon.
Finn zog den Schlüssel unter seinem Hemd hervor. Er berührte ihn, und sofort war Claudia da. Sie hatte Tränen in den Augen, und ihre Haare waren zerzaust. »Finn!«, rief sie. »Hör mir zu. Ich â¦Â«
» Du musst mir zuhören.« Er klammerte sich irgendwo fest, während das Schiff stampfte und schaukelte. »Wir brauchen Hilfe, Claudia. Du musst mit deinem Vater sprechen. Du musst ihn dazu bringen, dass er den Sturm beendet, oder wir werden alle sterben.«
»Sturm?« Sie schüttelte den Kopf. »Er ist nicht ⦠Er wird uns nicht helfen, sondern will dich tot sehen, Finn. Denn er hat alles herausgefunden. Er weià alles! «
»Dann â¦Â«
Keiro brüllte vor Schrecken. Finn hob den Kopf, und was er nun sah, lieà seine Finger verkrampfen. Sekunden, ehe das Bild ausging, konnte auch Claudia es erkennen.
Eine riesige, dicke Metallwand. Die Wand am Ende der Welt.
Sie erhob sich aus unbekannten Tiefen und erstreckte sich in die verborgenen Höhen des Himmels hinauf.
Und das Schiff schoss geradewegs darauf zu.
28
Der Eingang führt durch das Portal. Nur der Hüter hat
einen Schlüssel, und dies wird auch der einzige Weg sein,
Incarceron wieder zu verlassen. Allerdings hat jedes
Gefängnis seine Schwachstellen und Verstecke.
PROJEKTBERICHT./.MARTOR SAPIENS
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E s war spät; die Glocke im Elfenbeinturm schlug zehn. In der sommerlichen Abenddämmerung flirrten die Nachtfalter in den Gärten, und als Claudia den Kreuzgang hinuntereilte, schrie in der Ferne ein Pfau. Dienstboten kamen ihr entgegen und taten sich schwer, sich zu verbeugen, da sie mit Stühlen, Wandteppichen und groÃen Stücken von Wildbret beladen waren. Schon seit Stunden waren die Festvorbereitungen in vollem Gange. Claudia runzelte verärgert die Stirn und wagte nicht, irgendjemanden danach zu fragen, wo sich Jareds Raum befand.
Aber er
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