Incarceron
aller Macht, das Schiff seitlich wegzusteuern, ehe es vom kreiselnden Aufwind erfasst werden konnte.
Gleichzeitig mit einem Donnerschlag gingen die Lichter aus.
In der Schwärze hörte Finn Keiro fluchen, spürte, wie Gildas neben ihm kämpfte, und klammerte sich fest. »Finn! Du musst den Hebel betätigen! Unter dem Verdeck!«
Seine Hände tasteten danach, fanden ihn schlieÃlich und zogen daran.
Es wurde wieder etwas heller, als zwei breite Lichtstrahlen aufflammten, die in horizontaler Linie vom Bug des Schiffes ausgingen. Finn sah entsetzt, wie nahe sie der Wand schon gekommen waren. Das Scheinwerferlicht traf auf riesige Nieten, gröÃer als Häuser. Die mit Bolzen befestigten Platten hatten enorme AusmaÃe und waren vom Aufprall der herumwirbelnden Teile abgestoÃen, mit unzähligen Rissen und Schrammen überzogen und korrodiert.
»Können wir noch ausweichen?«, schrie Keiro gellend.
Gildas warf ihm einen verächtlichen Blick zu. In diesem Moment begann ihr Absturz. Sie fielen mit groÃer Geschwindigkeit und verloren Balken, Spieren und Seile. Das Schiff schoss senkrecht an der Wand entlang nach unten wie ein groÃer, silberner Engel, dessen flatternde Flügel die Schiffssegel waren. In Sekunden nur waren diese zerfetzt, und gerade als Finn und die anderen glaubten, das Schiff würde zerschellen, wurde es von
einem Aufwind erfasst. Der Mast brach, das silberne Luftgefährt schnellte wieder empor und drehte sich unkontrolliert. Die Scheinwerfer kreisten auf der Wand. Dunkelheit. Nieten. Dunkelheit. Finn hatte sich in den Seilen verfangen und suchte irgendwo nach Halt. Er bekam einen Arm zu fassen, der Keiro zu gehören schien. Der tosende Wind trieb sie hoch hinauf, eine Bö trug sie aus der brüllenden Dunkelheit empor, und je höher sie kamen, desto dünner wurde die Luft. Die Wolken und den Sturm lieÃen sie weit unter sich zurück; die Wand war ein einziger Albtraum, der sie immer näher heranzog. So nahe waren sie schon, dass Finn die schorfige Oberfläche sehen konnte, die von Spalten und winzigen Durchbrüchen überzogen war und von Ãffnungen, aus denen Fledermäuse hervorquollen, die sich mühelos in den Sturm schwangen. Glatt gescheuert von den Milliarden von Atomen, die mit der Wand zusammengeprallt waren, glänzte das Metall im Licht der Scheinwerfer.
Das Schiff schlingerte. Einige Sekunden lang war sich Finn beinahe sicher, dass es gleich gänzlich umkippen würde; er krallte sich an Keiro fest und schloss seine Augen. Irgendwann schlug er die Lider wieder auf: Das Schiff begann wider Erwarten, sich aufzurichten, und Keiro prallte gegen ihn und verhedderte sich ebenfalls in den Seilen.
Das Heck schwenkte mit einem Ruck herum. Es schlingerte und machte einen gewaltigen Satz.
Gildas brüllte: »Attia! Sie hat den Anker gesetzt!«
Attia musste unter Deck gekrochen sein und die Ankerwinde gelöst haben. Der Aufstieg des Schiffes wurde nun abgebremst, die zerfetzten Segel sanken schlaff herab. Gildas rappelte sich auf und zog Finn näher zu sich heran. »Wir müssen in die Wand fliegen und dann rechtzeitig abspringen!«
Finn starrte ihn verständnislos an. Das Sapient knurrte: »Das ist der einzige Weg nach drauÃen! Das Schiff wird wieder fallen
und aufsteigen und bis in alle Ewigkeit herumwirbeln! Wir müssen es gegen die Wand steuern.«
Er deutete auf etwas. Finn sah ein dunkles Quadrat im Metall der eingebeulten Wand; eine würfelförmige Ãffnung in der Dunkelheit. Winzig sah sie aus. Ihre Chancen, dort hineinzugelangen, schienen verschwindend gering.
»Sapphique landete in einem Würfel .« Gildas stützte sich schwer auf ihn. »Das dort muss er sein!«
Finn warf Keiro einen Blick zu. Zweifel flackerte zwischen ihnen hin und her.
Als Attia wieder durch die Luke kam und neben sie schlüpfte, war Finn klar, dass sein Eidbruder den alten Mann für verrückt hielt. Er glaubte, seine Suche habe ihm den Verstand geraubt. Doch welche Wahl hatten sie schon?
Keiro zuckte mit den Achseln. Gleichgültig drehte er das Steuerrad und lieà das Schiff geradewegs Kurs auf die Wand nehmen. Im Scheinwerferlicht wartete das Quadrat auf sie. Der Würfel . Ein schwarzes Rätsel.
Â
Claudia konnte nicht sprechen. Ihr Erstaunen und ihr ängstliches Unbehagen waren zu groÃ.
Sie sah Tiere.
Löwen .
Wie betäubt zählte sie sie: sechs,
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