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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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Miene erwiderte er Jormanrics Blick.
    Â»Wie lange bist du schon bei uns?«, fragte der Flügelherr.
    Â»Drei Jahre.«
    Â»Also kein Unschuldiger mehr. Die Leere in deinen Augen ist fort. Du schrickst nicht mehr länger zusammen, wenn du ein Schreien hörst. Du schluchzt nicht mehr, wenn die Lichter ausgehen.«
    Die Comitatus kicherten. Jemand rief: »Er hat noch niemanden getötet.«
    Â»Dann wird es langsam Zeit«, murmelte Amoz.
    Jormanric nickte, und das Metall, das er sich in die Haare geflochten hatte, schlug klirrend aneinander.
    Â»Vielleicht stimmt das.« Er beobachtete Finn, und Finn starrte unbeeindruckt zurück. Die Einfältigkeit des Flügelherrn war eine Maske, die seine darunterliegende Grausamkeit tarnte. Finn wusste, was nun kommen würde, und als Jormanric beinahe sanft sagte: » Du könntest diese Frau töten«, blinzelte er nicht einmal.
    Â»Das könnte ich tun, Herr. Aber ich würde lieber Profit aus ihr schlagen. Ich habe gehört, dass sie Maestra genannt wird.« Jormanric hob eine Augenbraue, die rot vom Ket war. »Lösegeld?«
    Â»Ich bin mir sicher, dass sie zahlen würden. Diese Wagen waren voller Waren.« Er hielt inne, und es war nicht nötig, dass
Keiro ihn daran erinnerte, nicht zu viel zu sagen. Einen Moment lang kroch die Furcht in seinen Körper zurück, doch er kämpfte sie nieder. Jedes Lösegeld würde bedeuten, dass Jormanric einen Anteil davon für sich beanspruchen konnte. Ganz sicher würde ihn diese Aussicht umstimmen. Seine Gier war legendär.
    Der Raum lag im Halbdunkel, die Kerzen flackerten. Jormanric goss sich ein Glas Wein ein, schüttete etwas davon vor die kleine Hunde-Kreatur und sah zu, wie sie aus der Lache schlabberte. Erst als sich der Sklave wieder aufrichtete, ohne Schaden genommen zu haben, nahm er selber einen Schluck. Dann hob er die Hand und drehte sie nach außen, sodass die sieben Ringe zu erkennen waren. »Siehst du diese Ringe, Junge? Sie schließen Leben ein. Leben, die ich genommen habe. Jedes von ihnen gehörte einst einem Feind, den ich langsam tötete und dabei Höllenqualen habe erleiden lassen. Jeder Einzelne von ihnen ist nun in einem Ring um meinen Finger gefangen. Ihr Atem, ihre Energie und ihre Kraft wurden ihnen geraubt und werden nun für mich aufbewahrt, bis ich sie benötige. Neun Leben kann ein Mann leben, Finn, während er sich von einem zum nächsten bewegt und den Tod niederkämpft. Mein Vater hat es getan, und ich werde es ebenfalls tun. Aber bislang habe ich erst sieben erbeutet.«
    Die Comitatus warfen sich Blicke zu. Weiter hinten flüsterten Frauen miteinander; einige reckten die Hälse, um über die Köpfe der Menge hinweg die Ringe sehen zu können. Die silbernen Totenköpfe glänzten in der drogengeschwängerten Luft. Ein gekrümmter Finger winkte Finn näher. Er biss sich auf die trockenen Lippen und schmeckte Ket. Es war salzig wie Blut und bewirkte, dass seine Augen tränten. Schweiß sammelte sich auf seinem Rücken. Es war unerträglich heiß im Raum; hoch oben in den Dachsparren saßen Ratten und spähten zu ihnen
herunter, und eine Fledermaus schoss in der Dunkelheit hin und her. Unbemerkt in einer Ecke wühlten drei Kinder in einem Getreidehaufen.
    Schwerfällig stand Jormanric auf. Er war ein riesiger Mann, der alle anderen um einen Kopf überragte. Nun schaute er zu Finn hinunter. »Ein loyaler Mann würde das Leben dieser Frau seinem Anführer anbieten.«
    Stille.
    Es gab keinen Ausweg. Finn wusste, dass er es würde tun müssen. Er warf einen raschen Blick zur Maestra. Sie erwiderte ihn, und ihr ausgemergeltes Gesicht war blass.
    Aber Keiros kühle Stimme durchbrach das angespannte Schweigen. »Das Leben einer Frau, Herr? Einer Kreatur, die voller Launen und Torheiten steckt? Eines zerbrechlichen, hilflosen Dinges?«
    Sie sah nicht hilflos aus. Sie wirkte wutentbrannt, und Finn verfluchte sie dafür. Warum konnte sie nicht schluchzen und flehen und wimmern? Als ob sie seine Gedanken gespürt hatte, senkte sie den Kopf, doch jeder Zentimeter ihres Körpers war steif vor Stolz.
    Keiro wedelte großmütig mit der Hand. »Ein Mann, der sie begehrt, beweist keine Größe, aber wenn du sie willst, dann gehört sie dir.«
    Das war mehr als gefährlich. Finn war entsetzt. Niemand zog Jormanric auf. Niemand machte ihn lächerlich. Selbst

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