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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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besetzt war.
    Finn erwiderte: »Dann bist du nächstes Mal an der Reihe.«
    Â»Hast du es je erlebt, dass ich mich um etwas drücke, Bruder? Man muss den Comitatus unseren Ruf in ihre beschränkten Köpfe hämmern. Keiro und Finn. Die Furchtlosen. Die Besten.« Er schüttete etwas Wasser aus einem Krug und wusch sich. Finn beobachtete ihn schweigend. Keiro hatte eine weiche Haut und geschmeidige Muskeln. Inmitten dieser Hölle aus missgebildeten und fast verhungerten Menschen, aus Halbmenschen und Pockennarbigen, war sein Eidbruder makellos. Und er achtete sorgfältig darauf, dass das so blieb. Nachdem Keiro sich das rote Hemd übergezogen hatte, steckte er sich ein gestohlenes Schmuckstück in das volle Haar und beäugte sich prüfend in einer Spiegelscherbe. Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Jormanric will dich sehen.«
    Das hatte Finn erwartet; trotzdem lief es ihm kalt über den Rücken. »Jetzt?«
    Â»Jetzt sofort. Du solltest dich besser waschen.«

    Finn wollte das nicht, doch schon einen Moment später goss er frisches Wasser ein und schrubbte sich den schmierigen Dreck und das Öl von den Armen.
    Keiro sagte: »Ich werde dir wegen der Frau den Rücken stärken. Unter einer Bedingung.«
    Finn zögerte. »Unter welcher?«
    Â»Du erzählst mir, worum es hier wirklich geht.«
    Â»Da gibt es nichts…«
    Keiro warf ein zerrissenes Handtuch nach ihm. »Finn Sternenseher verkauft keine Frauen oder Kinder. Amoz würde es tun und alle anderen harten Burschen auch. Aber du nicht.«
    Finn sah auf; Keiros blaue Augen starrten ihn unverwandt an.
    Â»Vielleicht werde ich langsam wie der Rest von euch.« Er trocknete sich das Gesicht an dem kratzigen Stofffetzen ab, dann ging er zur Tür, ohne sich die Mühe zu machen, sich umzuziehen. Auf halbem Wege brachte Keiros Stimme ihn zum Innehalten.
    Â»Du glaubst, dass sie etwas über dich weiß.«
    Mit kläglicher Miene drehte sich Finn zu ihm herum. »Manchmal wünschte ich mir, ich hätte mir jemanden mit schlechterer Beobachtungsgabe ausgesucht, um mir den Rücken zu decken. In Ordnung. Ja. Sie hat da etwas gesagt … Das könnte … Ich muss sie genauer befragen. Und dafür brauche ich sie lebendig.«
    Keiro drängte sich an ihm vorbei zur Tür. »Gut, aber du darfst nicht zu erpicht klingen, sonst tötet er sie vor deinen Augen. Überlass das Reden mir.« Er schaute sich draußen nach Lauschern um, dann sah er über die Schulter zurück zu Finn. »Mach ein finsteres Gesicht und schweig, Bruder. Darin bist du doch gut.«
    Â 
    Vor der Tür von Jormanrics Zelle waren die üblichen beiden Leibwächter aufgebaut, doch ein breites Grinsen von Keiro hatte
zur Folge, dass der Vordere der beiden einen grunzenden Laut ausstieß und zur Seite trat. Finn folgte seinem Eidbruder hinein und erstickte beinahe, als ihm der vertraute, süßliche Gestank des Kets in die Nase stieg, dessen berauschende Dämpfe schwer in der Luft hingen. Sie brannten in Finns Rachen, und er schluckte und versuchte, nicht mehr so tief einzuatmen.
    Keiro bahnte sich mit seinen Ellbogen einen Weg nach vorn, vorbei an mehreren Eidbrüder-Paaren, und Finn folgte seinem flammend roten Mantel, der aus der tristen Masse herausstach.
    Die meisten der Anwesenden waren Halbmenschen. Einige hatten metallene Klauen anstelle der Hände oder Flicken aus Plastik über den Stellen, an denen die Haut verschwunden war. Einer hatte ein falsches Auge, das ganz genau wie ein echtes aussah, nur dass es blind war und die Iris aus einem Saphir bestand. Dies waren die Untersten der Unteren, versklavt und verachtet von den Reinen. Es waren Männer, die das Gefängnis zusammengeflickt hatte, manchmal aus Grausamkeit, manchmal auch nur aus einer Laune heraus. Ein zwergenhafter, gebeugter Mann mit drahtigen Haaren machte nicht schnell genug den Weg frei. Keiro schlug ihn mit einem Hieb zu Boden. Er pflegte einen besonderen Hass auf die Halbmenschen und wechselte niemals ein Wort mit ihnen. Ihre bloße Existenz nahm er kaum zur Kenntnis, als wären sie nichts anderes als die Hunde, die den Unterschlupf heimsuchten. Als ob seine eigene Vollkommenheit durch ihr Dasein beleidigt würde, dachte Finn.
    Die Menge wich zurück, und bald waren sie inmitten der Krieger. Die Comitatus von Jormanric waren eine abgerissene und armselige Armee, die nur in ihrer eigenen

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