Incarceron
schimmerte auf seinen Zähnen.
»Du willst mein Wort? Ich habe mein Wort nicht mehr gehalten, seitdem ich zehn Jahre alt war und meinen eigenen Bruder mit dem Messer erstochen habe. Aber ich gebe es dir mit Freuden.«
Die Comitatus lachten leise und höhnisch. Finn sah, halb in ihren Schatten verborgen, Gildas, auf dessen Gesicht ein bitterer Ausdruck lag.
Schweigen.
Dann ertönte in dem wabernden, heiÃen Nebel ein Klirren und Klappern. Die Civitates schafften ihre Schätze auf die Spitze. Finn fragte sich, was sie wohl anschleppen mochten. Ganz sicher war Erz dabei, aber Jormanric hoffte auf Gold, Platin und, was am wertvollsten war, auf Mikro-Schaltkreise. Immerhin waren die Civitates eine der reichsten Gruppen des Flügels. Das war auch der Grund für den Hinterhalt gewesen.
Die Brücke bebte. Die Maestra griff nach dem Geländer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Leise sagte Finn: »Lass uns gehen.« Als er sich umdrehte, hatte Keiro sein Schwert gezogen.
»Ich bin hier, Bruder.«
»Lasst die Hure nicht los, ehe wir nicht die letzte Unze bekommen haben«, schnarrte Jormanric.
Finn verzog finster die Miene. Dann schob er die Maestra voran und begann mit der Ãberquerung des Spaltes.
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Die Brücke bestand aus Kettengeflecht und schwang bei jedem Schritt hin und her. Zweimal glitt Finn aus, und bei einer Gelegenheit stolperte er so heftig, dass die ganze Konstruktion ins Schlingern geriet und sie um ein Haar alle drei in den Abgrund gestürzt wären. Keiro fluchte; die Finger der Maestra umklammerten die Metallglieder so angestrengt, dass ihre Fingerknöchel weià wurden.
Finn sah nicht hinab. Er wusste, was unter ihnen lag: nichts als Schwärze und Hitze, die emporquoll, einem das Gesicht versengte und seltsam benebelnde Gase mit heraufwehte, die man besser nicht einatmete.
Langsam und mühevoll kamen sie vorwärts, und schlieÃlich wandte sich die Maestra an Finn. Ihre Stimme war hart und kalt: »Wenn sie ⦠den Kristall nicht mitbringen, was dann?«
»Welchen Kristall?«, fragte Keiro verschlagen.
Finn herrschte ihn an: »Halt den Mund.« Vor ihnen im Dämmerlicht konnten sie die Civitates sehen  â drei Männer, wie es verabredet worden war, warteten bei der Waage. Finn schob sich ganz nah hinter die Maestra und sagte leise: »Denk nicht einmal daran davonzulaufen. Jormanric hat mindestens zwanzig Waffen auf dich richten lassen.«
»Ich bin keine Närrin«, zischte sie. Dann betrat sie den Dorn.
Finn folgte ihr und holte tief und erleichtert Luft, was ein Fehler war. Die Gase aus dem Hitzedampf kratzten in seiner Kehle, und er musste husten.
Keiro drängte sich mit gezücktem Schwert an ihm vorbei und griff nach dem Arm der Frau. »Hier herauf.«
Er zerrte sie auf die Waage. Es war eine riesige Konstruktion aus Aluminium, die in Einzelteilen hierhergeschafft und unter gröÃten Anstrengungen für Gelegenheiten wie diese wieder zusammengebaut worden war. Allerdings hatte Finn in seiner ganzen Zeit bei den Comitatus nie gesehen, dass sie zum Einsatz gekommen wäre. Gewöhnlich scherte sich Jormanric nicht um Lösegeldzahlungen.
»Behalte die Anzeige nur gut im Blick, mein Freund«, wandte sich Keiro mit seidenweicher Stimme an den Anführer der Civitates. »Sie ist gar nicht so ein Leichtgewicht, wie man denken könnte, nicht wahr?« Er grinste. »Vielleicht hättet ihr besser ihr Essen rationieren sollen.«
Der Mann war kräftig und in einen gestreiften Mantel gehüllt, der von den verborgen getragenen Waffen ausgebeult wurde. Er schenkte Keiros Hohn keinerlei Beachtung, sondern starrte lediglich auf die Nadel auf der rostigen Anzeige. Dann tauschte er einen flüchtigen Blick mit der Maestra. Finn erkannte den Mann wieder; er war dabei gewesen, als sie in den Hinterhalt geraten waren. Sein Name war Sim.
Der Mann warf Finn einen vernichtenden Blick zu. Um kein Risiko einzugehen, zog Keiro die Maestra an sich und hielt ihr einen Dolch an die Kehle. »Und nun häuft eure Schätze auf die andere Waagschale. Und macht ja keinen Fehler.«
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In dem Moment, bevor die Schätze ausgeschüttet wurden, wischte sich Finn rasch den Schweià von der Stirn. Er schluckte erneut und versuchte, nicht so tief einzuatmen, während er sich inständig wünschte, er hätte sich etwas über Mund und Nase gebunden. Vor seinen Augen
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