Incarceron
verschlieÃen können.«
Finn schauderte. Er wusste, dass Gildas ihn beobachtete. Schroff sagte der Sapient: »Die Chancen, dich hier zu finden, Finn, standen eins zu einer Million. Nur du kannst mich auf meiner Flucht führen.«
»Ich kann dich nicht â¦Â«
»Du kannst. Du bist mein Prophet, Finn. Meine Verbindung zu Incarceron. Schon bald wirst du mich an einer der Visionen teilhaben lassen, auf die ich schon mein ganzes Leben lang warte. Diese wird mir das Zeichen geben, dass meine Zeit gekommen ist, dass ich Sapphique folgen und mich auf die Suche nach AuÃerhalb begeben muss. Jeder Sapient unternimmt diese Reise. Keiner war bislang erfolgreich, aber niemand hatte einen Zellgeborenen, der ihm dabei als Führer diente.«
Finn schüttelte den Kopf. Er hatte das alles schon so viele Jahre lang gehört, und trotzdem erfüllten ihn diese Worte noch immer mit Furcht. Der alte Mann war von seiner Flucht besessen, aber wie sollte Finn ihm dabei zu Hilfe kommen? Wie sollten seine Erinnerungsfetzen und die Ohnmachtsanfälle, die ihm die Luft abschnürten, irgendjemandem dienlich sein?
Gildas schob sich an ihm vorbei und griff nach der Metallleiter. »Sprich nicht darüber. Nicht einmal mit Keiro.«
Er kletterte hinunter, und seine Augen waren schon auf der Höhe von Finns FüÃen, als dieser murmelte: »Jormanric wird dich niemals einfach so gehen lassen.«
Gildas starrte durch die Leitersprossen zu ihm hoch: »Ich gehe, wohin ich es wünsche.«
»Er braucht dich. Nur durch dich kann er über den Flügel herrschen. Wenn er auf sich allein gestellt wäre â¦Â«
»Er wird schon zurechtkommen, denn er kennt sich aus mit Angst und Gewalt.«
Gildas stieg eine Sprosse tiefer, dann zog er sich wieder empor, und sein kleines, runzeliges Gesicht leuchtete mit einem Mal vor Freude auf. »Kannst du dir vorstellen, wie es sein wird, Finn, wenn wir eines Tages eine Luke öffnen und aus der Dunkelheit hinauskriechen, um Incarceron endgültig zu verlassen? Wie es sein wird, wenn wir die Sterne sehen? Wenn wir die Sonne erblicken?«
Einen Moment lang schwieg Finn, dann kletterte er an einem Seil neben dem Sapienten hinunter. »Ich habe sie bereits gesehen.«
Gildas lachte bitter. »Nur in deinen Visionen, dummer Junge. Nur in deinen Träumen.«
Â
Erstaunlich behände kletterte er die waagerecht mit den AuÃenseilen verknoteten Sprossen hinab, während Finn ihm langsamer folgte. Das Seil, an dem er erst einmal wieder halb zu Boden rutschte, fühlte sich warm unter seinem Handschuh an.
Flucht.
Das Wort stach ihn wie eine Wespe und durchschnitt sein Innerstes. Es entfachte eine Sehnsucht, die alles verhieà und nichts bedeutete. Die Sapienti behaupteten, dass Sapphique einst einen Weg hinaus gefunden habe und dass ihm die Flucht gelungen sei. Finn war sich nicht sicher, ob er das glaubte. Die Legenden, die sich um Sapphique rankten, wurden beim Erzählen immer groÃartiger; jeder herumziehende Geschichtenerzähler und Dichter hatte eine neue anzubieten. Ein einzelner Mann hätte viele Generationen lang leben müssen, um all diese Abenteuer zu erleben, all diese Flügelherren auszutricksen und die schier endlose Reise durch die Tausend Flügel Incarcerons zu unternehmen. Man erzählte sich, dass das Gefängnis riesig und geheimnisvoll sei, ein Labyrinth von Hallen, Treppen, Kammern und Türmen, die zu viele waren, als dass man sie noch hätte zählen können. Das jedenfalls behaupteten die Sapienti.
Finn erreichte mit seinen FüÃen schlieÃlich den Boden. Er sah gerade noch Gildasâ schlangengrünen, schimmernden Umhang, als der alte Mann aus dem Bau hastete. Finn vergewisserte sich, dass seine Klinge in der Scheide steckte und dass die beiden Dolche, die er in seinen Gürtel geschoben hatte, noch da waren, ehe er ihm hinterherrannte.
Für ihn war jetzt nur noch der Kristall der Maestra wichtig, und es würde nicht einfach werden, ihn sich zu holen.
Â
Der Spalt der Ãbergabe war nur drei Gänge entfernt, und Finn huschte eilig durch die dunklen, leeren Gewölbe, immer auf der Hut vor Spinnen oder den Schattenfalken, die sich den Gegebenheiten immer besser angepasst hatten und nun hoch oben unter der Decke hin und her jagten.
Â
Alle anderen schienen schon da zu sein. Finn hörte die Comitatus, noch ehe er die letzte Bogenöffnung durchquert hatte. Sie
Weitere Kostenlose Bücher