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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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laut und barsch, um keinen Zweifel an seinem Unmut aufkommen zu lassen. »Weshalb habt ihr mich erst jetzt aus diesem verfluchten Schlamassel herausgeholt?«
    Gordon sah ihn verständnislos an. »Wovon um alles in der Welt sprichst du, John? Deine Körperwerte haben verrückt gespielt. Die Computer haben das als Notsituation interpretiert und deine Rückkehr eingeleitet – genau, wie ich es dir versprochen hatte!«
    »Meine verdammten Körperwerte haben mindestens ein Dutzend Mal verrückt gespielt, und nie haben deine Computer auch nur das Geringste unternommen. Also erzähl mir nicht, dass du dein Versprechen eingelöst hast, Gordon! Deine Notfallprogramme haben versagt – alle beide. Sowohl das Kruzifix als auch der Mikrochip in meinem Arm. Außerdem hattest du behauptet, nach vier Etappen und insgesamt zwölf Stunden würde meine Reise automatisch enden, weil das Wurmloch diesen Ablauf fest vorgibt. Aber ich war über einen Monat im Dschungel! Hörst du, Gordon? Einen gottverdammten Monat! Irgendwas ist voll in die Hose gegangen, und ich will wissen, woran das lag!«
    Gordon wirkte ehrlich verwirrt. »Aber … das kann nicht sein.«
    »Erzähl mir nicht, was sein kann oder nicht! Ich habe es am eigenen Leib erlebt. Und ich wäre beinahe dabei draufgegangen – mehr als einmal!«
    »Unsere Computer haben das Notsignal erst jetzt empfangen«, verteidigte sich Gordon. »Tut mir leid, aber ich weiß nicht, weshalb die Technik diesmal versagt hat. Ich schwöre dir, dass diese Schwierigkeiten vorher noch nie aufgetreten sind.«
    John schnaubte verächtlich.
    »Du glaubst mir nicht?«
    »Ich finde es nur seltsam, dass ausgerechnet bei mir erstmals lebensgefährliche Komplikationen auftreten!« Er wusste, dass es so klang, als unterstelle er Gordon Absicht. Gleichzeitig sah er ein, dass das keinen Sinn ergab. Gordon wollte Geld von ihm – fünfzehn Millionen Pfund –, er musste also ein Interesse daran haben, seine Zeitreise-Maschine möglichst perfekt zu präsentierten.
    Johns Vorwurf traf Gordon sichtlich. Zögernd stand er auf, um das Zimmer zu verlassen. Als er zurückkehrte, hatte er einen Stapel Papier unter den Arm geklemmt.
    »Diese Computerausdrucke belegen, dass deine Körperfunktionen samt und sonders normal waren.« Er warf den zehn Zentimeter dicken Stoß auf den Tisch, sodass der Kaffee in Johns unangerührter Tasse beinahe überschwappte. »Herz, Kreislauf, Blutwerte – alles in Ordnung. Über die komplette Zeit hinweg gab es keinerlei Ausscherer, weder nach oben noch nach unten. Nichts, was auf eine Gefahr oder gar eine Verletzung hindeuten würde, nicht mal auf einen verdammten Wespenstich! Auch die Dauer deines Aufenthalts wurde von unseren Computern als absolut normal registriert.« Er hielt John den obersten Ausdruck unter die Nase, eine Art Übersichtsblatt. John nahm es und überflog die Angaben, die Gordons Aussage allesamt bestätigten. Laut Computer hatte sein Aufenthalt exakt elf Stunden und dreiundfünfzig Minuten gedauert, aufgeteilt in vier Abschnitte von jeweils rund drei Stunden. Aus dem Blickwinkel der Gegenwart war er hingegen nur sechs Minuten und acht Sekunden unterwegs gewesen. Alle Planwerte befanden sich somit im Soll. Unglaublich!
    Gordon reichte ihm auch noch die nächste Seite, auf der die Angaben zu Johns Körperfunktionen und Blutwerten aufgelistet waren. Hinter jeder Messgröße stand in Druckbuchstaben der Vermerk IM NORMBEREICH.
    John schüttelte den Kopf. »Hier muss ein grundlegendes Problem mit der Technik vorliegen«, beharrte er auf seiner Ansicht. »Was die Computer aufgezeichnet haben, stimmt definitiv nicht mit der Realität überein! Ich bin an der Seite von Pizarro und Orellana durch den halben Dschungel marschiert! Wochenlang! Und ich habe Dinge erlebt, die in keinem Geschichtsbuch stehen. Sogar Dinge, die so unglaublich sind, dass du mich für verrückt erklären wirst. Aber sie sind passiert.« Die Erinnerung an den Urwald, vor allem an den Dämon, versetzte ihn in Panik. Er zwang sich zur Ruhe. Du hast es hinter dir, sagte er sich. Du hast es geschafft. Denk nicht mehr an die Vergangenheit. Konzentriere dich auf die Zukunft.
    Er sehnte sich danach, Laura in die Arme zu schließen, sie an sich zu drücken und sie zu küssen. Er hatte längst nicht mehr zu hoffen gewagt, sie noch einmal zu sehen. Außerdem freute er sich aufs Büro – was er vor der missglückten Zeitreise nicht für möglich gehalten hatte. Die Aussicht auf einen ganz gewöhnlichen

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