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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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Kontrolle zu bringen – vergeblich. Stattdessen schnappte er nach Luft wie ein Ertrinkender, keuchend, japsend und hustend.
    Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Als er ihn sich mit dem Handrücken wegwischen wollte, stellte er fest, dass er seinen linken Arm nicht bewegen konnte. Er fühlte sich taub an und war wie gelähmt.
    Wenigstens konnte John noch den rechten Arm bewegen. Vorsichtig betastete er damit den linken. Alles schien in Ordnung zu sein – keine offenen Wunden, keine Knochenbrüche, keine Schmerzen. Nur mehrere breite Bänder, von der Schulter bis zum Handgelenk. John wusste damit nichts anzufangen, aber im Moment interessierte ihn das auch nicht.
    Hauptsache, ich bin nicht ernsthaft verletzt, dachte er.
    Als er sich übers schweißnasse Gesicht fuhr, fiel ihm auf, dass er keine Rüstung mehr trug. Der Helm auf seinem Kopf war verschwunden, ebenso der Brustpanzer, der ihm in den letzten Wochen zur zweiten Haut geworden war. Wer um alles in der Welt hatte ihm die Rüstung abgenommen?
    Er wurde sich darüber bewusst, dass er lag. Auf dem Rücken. Sein Kopf ruhte auf einer undefinierbaren weichen Unterlage. Blinzelnd versuchte er, irgendwelche Details in der Finsternis zu erkennen, doch das war unmöglich. Er befand sich inmitten eines tiefschwarzen, endlosen Universums.
    Wo ist der Uracai?, fragte sich John. Die bloße Erinnerung an die Bestie schnürte ihm die Kehle zu. Lauerte sie hier irgendwo in der Finsternis? Weshalb hatte sie ihn nicht gleich getötet, was hatte sie mit ihm vor?
    Plötzlich änderte sich Johns Umfeld. Von einer Sekunde auf die andere explodierte vor ihm eine Wolke gleißenden Lichts. Obwohl er sofort die Augen zusammenkniff, war ihm, als triebe ihm jemand einen glühenden Nagel ins Gehirn.
    Endlich ließ der Schmerz nach, und John hörte Geräusche: Stimmen, die aufgeregt miteinander sprachen, aber seltsam blechern klangen. Er hob mühevoll den Kopf, blinzelte gegen die Helligkeit an und registrierte, dass er sich in einer metallisch schimmernden Röhre befand.
    Wo zum Teufel bin ich?
    Noch während er sich das fragte, kehrte die Erinnerung zurück, und mit ihr ging eine Welle unendlicher Erleichterung einher: Er befand sich nirgendwo anders als in Gordons Zeitmaschine.
    Dem Himmel sei Dank!
    Surrend glitt der Liegeschlitten aus dem Chromzylinder. Links und rechts standen Gestalten in grünen Kitteln wie Ärzte in einem OP. Sie sprachen auch so miteinander.
    »Blutdruck?«
    »Stabil.«
    »Puls?«
    »210, aber rückläufig.«
    »Reflexe?«
    Jemand beugte sich über John, zog ihm nacheinander beide Augenlider auseinander und wedelte mit einer Taschenlampe vor ihm herum.
    »Reflexe sind okay.«
    So ging es noch eine Weile weiter. Einer der Wissenschaftler – John erkannte in ihm Doktor Rawlings, den Weißkittel, der ihn für den Zeitsprung ins sechzehnte Jahrhundert vorbereitet hatte – stellte die Fragen, die anderen antworteten. Selbst als Laie begriff John, dass ihm nichts fehlte, zumindest nichts Ernsthaftes. Er ließ sämtliche Gesundheitschecks stumm über sich ergehen, froh, dass er den Amazonas-Albtraum endlich überstanden hatte.
    Rawlings zog ihm die Hohlnadel aus dem Handrücken und klebte ein Pflaster über die kleine, blutende Stelle. Dann schnallte er Johns linken Arm los. »Sie können jetzt aufstehen, wenn Sie wollen«, sagte er. »Aber seien Sie vorsichtig. Nicht, dass Ihnen schwarz vor Augen wird. Nach einer solchen Reise kann der Kreislauf schon mal zusammenklappen.«
    John wälzte sich zur Seite, schob seine Beine von der Liege und setzte sich auf. Mehr und mehr spürte er, wie sein Puls sich beruhigte. Alles war in bester Ordnung. Buchstäblich in letzter Sekunde war er wie durch ein Wunder in die Gegenwart zurückgekehrt.
    Er bemerkte, dass sein alter Freund Gordon Cox in der Tür stand. Erst jetzt, da das rege Treiben der Mediziner sich legte, kam er herüber. Er stellte sich neben John, klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und sagte: »Willkommen zu Hause, alter Junge!«
    Eine Viertelstunde später saßen die beiden in einem zu einer Küche umfunktionierten Nebenraum. Durch die geschlossene Tür drangen gedämpft die Geräusche aus dem Labor. Vor John stand eine duftende Tasse Kaffee, doch bislang hatte er sie nicht angerührt, denn die anfängliche Erleichterung über seine geglückte Rückkehr war mehr und mehr einem trotzigen Zorn über die unerwarteten Probleme seiner Reise gewichen.
    »Ich will wissen, was schiefgelaufen ist!« Er sprach

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