Incognita
nicht in einer Großstadt.« Versonnen betrachtete er die toten Tierkörper in seiner Hand. »Ich würde zu gerne wissen, woher diese Viecher auf einmal kommen«, raunte er.
Kapitel 23
Es war normalerweise nicht Johns Art, sich alleine zu Hause zu betrinken, aber heute machte er eine Ausnahme. Die Situation überforderte ihn, und die Aussicht auf einen betäubenden Rausch war verlockend. Während der Alkohol allmählich seine Wirkung entfaltete, dachte er über den zurückliegenden Tag nach. Klarer sah er dadurch nicht. Er versuchte auch noch ein paarmal, Vince Broderick anzurufen, kam aber nie durch.
Hoffentlich habe ich morgen mehr Glück, dachte John und trank weiter.
Laura kam an diesem Abend erst um halb zehn nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt ging bei John bereits die zweite Flasche Tempranillo zur Neige. Manche Menschen wurden unter Alkoholeinfluss aggressiv, andere redselig. John gehörte zu jenen, die hauptsächlich träge wurden. Sein im Lauf des Tages angestauter Ärger und Frust war vom Wein längst in irgendeinen vernebelten Winkel seines Bewusstseins verdrängt worden. Zurückgeblieben war lediglich das schale Gefühl, betrogen worden zu sein.
Durch den Schleier des Alkohols registrierte John, wie Laura im Flur die Jacke ablegte und anschließend im Schlafzimmer verschwand, um sich umzuziehen. Als sie ins Wohnzimmer kam, trug sie bereits ihren blauen Seidenpyjama.
»Hier steckst du also«, sagte sie. Er bemerkte ihren rügenden Blick, als sie die Weinflaschen auf dem Tisch sah. Sie mochte es nicht, wenn er zu viel trank, doch es war ihm gleichgültig.
»Wie war dein Tag?«, wollte sie wissen.
Obwohl er bis dahin todmüde gewesen war, spürte er plötzlich, wie die Frage ihn provozierte. Offenbar brachte der Alkohol nun doch seine aggressive Seite hervor. Es kam John nicht ungelegen. Wie war dein Tag? »Als würdest du das nicht ganz genau wissen, Darling!« Er sprach leise, aber betont distanziert.
Laura wirkte überrascht. »Kannst du mir wohl verraten, was das heißen soll?«
»Es soll heißen, dass es mir besser ginge, wenn ich noch Chef meiner eigenen Firma wäre. Gratulation. Du, Gordon und Brian – ihr habt es geschafft.«
Laura schüttelte den Kopf. »Wovon zum Teufel sprichst du, John? Was haben wir geschafft?«
Dass sie sich unwissend stellte, reizte John nur noch mehr. Grob packte er Laura am Handgelenk. »Sei nicht so scheinheilig! Ihr habt mir die Firma weggenommen! Das habt ihr geschafft!«
»Du tust mir weh, John!«
»Sehr gut, denn du hast mir mit deinen Lügen ebenfalls wehgetan!« Er war nicht mehr ganz Herr seiner Sinne. Der Alkohol trieb ihn dazu, noch ein wenig fester zuzudrücken.
Laura unterdrückte einen Schrei. »Hör auf damit!«, zischte sie. »Ich habe dich nicht belogen! Und ich lasse mich nicht länger von dir beschimpfen. Wenn du nicht willst, dass ich dich wegen Körperverletzung anzeige, dann lass mich sofort los!«
Irgendetwas in ihrem Gesicht verriet John, dass sie es ernst meinte. Nicht nur die Drohung, ihn anzuzeigen, sondern auch die Aussage, ihn nicht belogen zu haben.
Aber die Fakten sprachen für sich. »Gordon und du – ihr habt behauptet, dass meine Zeitreise aus eurer Perspektive nur ein paar Minuten gedauert hat. Heute habe ich aber erfahren, dass in Wahrheit zwei Monate vergangen sind! In diesen zwei Monaten hat Brian Guiltmore meinen Platz in der Firma eingenommen. Gordon und du – ihr habt mich glauben lassen, dass alles in Ordnung ist, nur, damit ich es nicht so eilig habe, wieder ins Büro zu gehen. Wahrscheinlich habt ihr Guiltmore dadurch das letzte bisschen Zeit verschafft, das er brauchte, um mich aus dem Unternehmen zu drängen. So war es doch, oder etwa nicht?« Er sah, dass Lauras Augen feucht glänzten und lockerte seinen Griff. Sie wich vor ihm ans andere Ende der Couch zurück und rieb sich das Handgelenk. Eine Minute lang sprach niemand ein Wort.
»Erkläre es mir wenigstens«, sagte John schließlich. Es klang matt und abgestumpft und unendlich niedergeschlagen. »Erkläre es mir – bitte. Warum hast du bei dieser Intrige mitgemacht? Ich möchte es einfach nur verstehen.«
Laura schluckte. Eine Träne rann ihr über die Wange. Plötzlich stand sie ohne ein Wort auf und ging in die Küche. John glaubte schon, sie wolle ihm ausweichen, ihm nicht einmal mehr eine Antwort geben. Doch kurz darauf kam sie mit einer Zeitung in der Hand zurück, die sie John unter die Nase hielt.
Er nahm sie entgegen. »Was soll ich
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