Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
Vom Netzwerk:
damit?«
    »Schau auf das Datum.«
    John tat es. Es war die Ausgabe vom 6. August, also vom vergangenen Mittwoch – jenem Tag, an dem er von seiner Zeitreise heimgekehrt war.
    »Seite fünf dürfte dich interessieren«, sagte Laura.
    John blätterte in der Zeitung und erkannte sofort, worauf Laura anspielte: Unter der Überschrift Der Amazonas in London war ein großes Foto abgedruckt – eine Aufnahme von ihm, wie er am Rednerpult stand. Die Bildunterschrift lautete: John McNeill, Hauptsponsor der Amazonas-Sonderausstellung, begrüßt die Ehrengäste anlässlich der gestrigen Eröffnung im National Historical Museum.
    Etwas machte klick in seinem Kopf.
    … angesichts der gestrigen Eröffnung? Auch im Artikel selbst wurde es noch einmal erwähnt: Zur Eröffnung der Amazonas-Ausstellung am gestrigen Dienstag begrüßte der Direktor des National Historical Museums in Kensington, Andrew Lewelin, etwa hundert geladene Gäste aus Politik und Wirtschaft.
    Es dauerte einen Moment, ehe er verstand: Er war am letzten Dienstag, also vor knapp einer Woche im Museum gewesen. Tags darauf hatte er Gordon einen Besuch in seinem Labor abgestattet. Und am selben Mittwoch war er nach seinem Höllentrip ins sechzehnte Jahrhundert wieder in die Gegenwart zurückgekehrt. Er hatte diese Welt also nur für kurze Zeit verlassen, was wiederum hieß, dass Laura und Gordon ihn nicht belogen hatten. Ein Lichtblick in der Dunkelheit! Allerdings konnte dieser Lichtblick nicht darüber hinwegtäuschen, dass Johns Geisteszustand noch immer bedenklich war, denn vor dem Blick in die Zeitung hätte er schwören können, dass die Eröffnung der Amazonas-Ausstellung bereits im Juni stattgefunden hatte. Und an der Tatsache, dass man ihm die Firma weggenommen hatte, änderte sich auch nichts. Brian Guiltmore und die Treuhänder hatten es offensichtlich auch ohne Gordons und Lauras Hilfe geschafft.
    Er sah Laura lange an und suchte nach einer Entschuldigung für seinen unbegründeten Vorwurf – doch er fand nicht die geeigneten Worte. Stattdessen versuchte er, ihr zu erklären, wie er zu seinem Verdacht gekommen war – nämlich dadurch, dass man ihm im Büro etwas vorgespielt hatte. Und dann noch die Sache mit den Ameisen! Der Tag war eine einzige Katastrophe gewesen.
    Während Laura ihm zuhörte, wurde ihre Miene immer besorgter. Sie litt unter dem Zustand offenbar ebenso wie John. Als er seinen Bericht über Kill Bill Mahoney beendet hatte, saßen sie eine Weile schweigend auf der Couch, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.
    Dann stand Laura plötzlich auf.
    »Wohin willst du?«
    »Zum Telefon.«
    »Weshalb, Darling?«
    »Um mit Gordon zu sprechen.« Sie warf John einen entschlossenen Blick zu. »Er ist der Einzige, der beurteilen kann, ob du nur unter Halluzinationen leidest oder ob du es in der Firma vielleicht wirklich mit einem Komplott zu tun hast.«
    John nickte, dankbar, dass Laura auf seiner Seite stand. Allein das gab ihm die Gewissheit, dass alles wieder gut werden konnte. Die Erleichterung darüber war so groß, dass er das Gefühl hatte, jemand habe ihm eine Zentnerlast von den Schultern genommen. Plötzlich spürte er den Alkohol wieder, und die Müdigkeit kehrte zurück. Vergeblich kämpfte er dagegen an. Er sah Lauras schlanke Gestalt im Flur verschwinden, hörte, wie sie das Telefon abnahm und wählte. Doch was sie sagte, drang nur noch wie aus weiter Ferne zu ihm und verebbte schließlich im tiefen Schwarz eines traumlosen Schlafs.
    Er spürte eine Berührung an der Schulter und schreckte auf. Ihm war schwindlig und schlecht, sein Kopf fühlte sich dumpf an. Hinter den Schläfen spürte er einen diabolischen Druck. Sein eigener Atem stieg ihm sauer in die Nase.
    Das Erste, was er sah, als er die Augen aufschlug, war Gordons ernstes Gesicht. Laura musste ihn hierher bestellt haben. John wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder einzuschlafen und erst aufzuwachen, wenn das Brummen in seinem Schädel aufgehört hatte, doch als Gordon begann, ihm penetrant die Wangen zu tätscheln, wurde ihm klar, dass dieser Wunsch unerfüllt bleiben würde.
    »Hör endlich auf damit«, brummte er. »Ich bin ja schon wach.«
    Gordon ließ von ihm ab. Eine Wohltat!
    John sah sich nach Laura um. Sie saß auf einem der Sessel und hatte ihren Bademantel über den Pyjama gezogen. Ihre Miene wirkte noch immer zutiefst besorgt.
    »Nun sag schon, Gordon – ist das, was John durchlebt, tatsächlich nur ein Produkt seiner Einbildung? Denn offen

Weitere Kostenlose Bücher