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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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sprechen. Das war durchaus nicht ungewöhnlich. Jedes Mal, wenn er von seiner Insel zurückkehrte, machte sie ihm auf die eine oder andere Art deutlich, wie wenig Verständnis sie für sein Projekt aufbringen konnte. Manchmal sprach sie es offen an, manchmal ließ sie nur spitze Bemerkungen fallen. Und manchmal ignorierte sie ihn einfach eine Zeitlang mit einer Miene, die ihn zum Büßer abstempelte – so wie diesmal. John kannte ihre Meinung zu Caldwell Island: Sie fand es albern, ja geradezu kindisch, dass ein erwachsener Mann sich kostümierte und für eine Weile so tat, als lebe er in einer anderen Welt. Sie selbst hatte es noch nie versucht. John glaubte nicht, sie jemals dazu überreden zu können.
    »Grün!«, sagte Laura gerade.
    »Wie bitte?«
    »Die Ampel – sie ist grün.« Sie sprach wie zu einem Idioten. John spürte, wie sein Ärger weiter anschwoll, doch er zwang sich zur Ruhe.
    »Findest du nicht, dass es an der Zeit wäre, die Friedenspfeife zu rauchen?«, fragte er, während er Gas gab und in die New Kent Road einbog. »Ich weiß, dass du meine Begeisterung für Caldwell Castle nicht teilst …«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Ja – aber müssen wir uns deswegen tagelang streiten?«
    »Dass du dafür keinen Grund siehst, ist mir klar«, sagte Laura. »Du hast deinen Willen ja wieder mal bekommen. Du warst auf deiner Insel – während ich hierbleiben und die Zeit totschlagen musste!«
    Natürlich stimmte das nicht. Laura war eine äußerst selbstständige und viel beschäftigte Frau. Zeit totzuschlagen – so etwas gab es für sie gar nicht. Vermutlich hatte sie irrsinnig viel gearbeitet – sie war Anwältin in der angesehenen Londoner Kanzlei Gormans, Helltrop & Bells –, außerdem nutzte sie Johns Aufenthalte auf Caldwell Island gewöhnlich dazu, sich mit ihren Freundinnen zu treffen, mit denen sie dann bis spät in die Nacht Frauengespräche führte – was immer das bedeuten mochte. Aber die Zeit totgeschlagen hatte sie ganz sicher nicht! Das sagte sie nur, um John ein schlechtes Gewissen einzureden.
    »Du weißt, dass du mich hättest begleiten können«, sagte John.
    »Und du weißt, dass ich dieses Rittergehabe albern finde!«
    Rittergehabe! John biss die Zähne zusammen. »Wenn du es nur wenigstens einmal versuchen würdest …«
    Sie schwieg – auch eine Antwort.
    Das Handy klingelte. John war beinahe froh, die Diskussion mit Laura auf diese Weise beenden zu können, wenigstens für den Moment. Er drückte einen Knopf am Steuer und nannte seinen Namen.
    »Hier Floyd Decker«, meldete sich eine heisere Stimme über die Freisprechanlage.
    »Floyd! Schön, von Ihnen zu hören. Haben Sie schon irgendwelche Informationen für mich?«
    Decker war der Mann, der herausfinden sollte, mit welchen alternativen Investitionen sich die Ljuganow-Brüder befassten. John hatte in der Vergangenheit schon mehrmals Deckers Dienste in Anspruch genommen. Er führte eine Detektei in Soho und verfügte über einen ausgezeichneten Ruf. Er arbeitete schnell, diskret und zuverlässig. Allerdings verlangte er auch den horrenden Tagessatz von zweitausend Pfund. Spesen, Benzinkosten und Schmiergelder für Informationsbeschaffung gingen extra.
    »Ich habe einen Namen für Sie, Sir.«
    »Nur einen?«
    »Ja.«
    »Ich bin enttäuscht, Floyd. Für das Geld, das Sie verlangen, erwarte ich schon etwas mehr.«
    »Sie missverstehen mich, Sir«, sagte Decker mit der Ruhe eines Mannes, der weiß, dass er auf seinem Gebiet Spitzenleistungen erbringt. »Die Russen haben geblufft. Außer Ihnen gibt es nur noch eine einzige Person, mit der sie in Verbindung stehen.«
    John verkniff sich ein Grinsen. Was Decker da sagte, klang wie Musik in seinen Ohren. Sich gegen mehrere Konkurrenten zu behaupten wäre schwierig geworden. Aber einen Nebenbuhler in die Knie zu zwingen schien machbar.
    John setzte den Blinker und überholte einen Bus, der am Straßenrand gehalten hatte. »Wie viel kostet mich der Name, den Sie herausgefunden haben?«
    »Viertausendfünfhundert Pfund.«
    John pfiff durch die Zähne. »Eine hübsche Summe.«
    »Dafür ist jeder Irrtum ausgeschlossen. Sie wissen, dass ich mir keine Fehler erlaube.«
    »Also gut. Ich schicke Ihnen wie üblich einen Scheck. Und jetzt heraus damit: Wer ist mein Konkurrent?«
    »Ein gewisser Thorwald. Hakan Thorwald.«
    »Nie gehört. Wer ist der Kerl?«
    »Genau an dieser Stelle beginnt die Sache interessant zu werden.« Deckers heisere Stimme klang jetzt beinahe tonlos.

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