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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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ankomme?«
    »Keineswegs.«
    »Wie dann?«
    »Vertrau mir einfach, ja?«
    »Wie dann?«, insistierte John, dem auffiel, wie sehr Gordon es genoss, mit ihm zu spielen. Er spürte schon den kompletten linken Arm nicht mehr.
    »Es ist absolut irrelevant, was du anhast oder nicht«, sagte Gordon. »Denn für die Dauer deines Aufenthalts wirst du in einen anderen Körper schlüpfen.«
    John wollte protestieren, doch er spürte, wie seine Willenskraft mit jeder Sekunde schwächer wurde. Sein ganzer Körper war nunmehr von beängstigender Taubheit erfüllt, und der letzte Rest seines Verstandes, der sich bis zum Schluss dagegen wehrte, gab bald ebenfalls den Widerstand auf. Alles um John herum verschwamm – Doktor Rawlings weißer Kittel, Gordons Gesicht und auch die anderen Wissenschaftler, die um die Maschine herumstanden und irgendwelche Feinjustierungen daran vornahmen.
    John kämpfte vergebens mit der lähmenden Müdigkeit. Einen Moment lang kehrte eine erschreckend klare Erinnerung scheinbar aus der Unendlichkeit zu ihm zurück: Gordon, der mit einem grellgelben Polohemd bekleidet vor Johns Wohnungstür stand, ein Metzgerbeil hinter seinem Rücken hervorzauberte und damit wie ein Irrer auf John einhackte. Doch dann verflog dieser Albtraum wie ein Atemhauch im Wind, und zurück blieb nichts als gähnende, tiefschwarze Leere.
    Das Erste, was John wieder wahrnahm, waren Geräusche. Stimmen, die miteinander redeten. Schritte. Dazu eine Fülle weiterer Laute, die verzerrt an sein Ohr drangen und die sein benebelter Verstand nicht einordnen konnte. Dumpf erinnerte er sich daran, was geschehen war. Dass er verrückt genug gewesen war, sich auf eine Zeitreise einzulassen. Allein die Vorstellung – aberwitzig.
    Vorsichtig öffnete er die Augen. Dämmerung. Verschwommene Umrisse, undeutliche Bewegungen um ihn herum. Unheimliche Schatten, die ihn umtanzten wie Dämonen aus der Unterwelt.
    John wurde bewusst, dass er noch immer flach dalag. Obwohl seine Wahrnehmung mindestens ebenso eingeschränkt war wie bei einem Vollrausch, versuchte er sich aufzurichten. Es gelang ihm nicht.
    »John!« Es klang dumpf und verzerrt, als befände er sich unter Wasser. »John! Wie geht es dir? Kannst du mich hören?«
    Aus der Dämmerung beugte sich eines der Schattenwesen zu ihm herab. Das Gesicht war undeutlich – verzerrt, kantig und grob, als fehlten ihm sämtliche Details. Dennoch kam es John entfernt vertraut vor.
    »Komm zu dir, John!«
    Er spürte eine Berührung am Arm, was ihm half, die Müdigkeit abzuschütteln und aus der Scheinwelt seiner Betäubung in die Realität zurückzukehren. Er blinzelte ein paarmal, bemühte sich, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wie von Geisterhand nahm das undeutliche Gesicht über ihm jetzt konkretere Konturen an.
    »Gordon?«, murmelte er.
    »Was dachtest du denn?«
    »Dass ich im fünfzehnten Jahrhundert bin. Bei Pizarro und Orellana.« Er räusperte sich. Sein Hals fühlte sich trocken an, vermutlich aufgrund des Betäubungsmittels.
    »Noch nicht ganz, alter Junge«, sagte Gordon. »Wir haben dich nur für ein paar Minuten in Tiefschlaf versetzt, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.«
    John bemerkte Doktor Rawlings im Zimmer, außerdem zwei Techniker, die irgendwelche Einstellungen an der Zeitmaschine vorzunehmen schienen.
    Gordon ergriff Johns rechten Arm – der linke war noch immer auf der Seitenkonsole festgeschnallt. »Hier – sieh dir das an. Das ist wichtig!«, sagte er.
    John hob schwerfällig den Kopf und betrachtete seinen Unterarm. Auf der Innenseite, ziemlich genau in der Mitte zwischen Handgelenk und Ellbogen, befand sich ein kleiner Schnitt, etwa ein Zentimeter lang und mit einer Art Sprühverband versiegelt. Darunter, dicht unter der Haut, erkannte John eine dunkle, kreisrunde Stelle, etwa so groß wie ein Daumennagel, die auf den ersten Blick wie ein Muttermal aussah.
    »Wir haben dir einen Mikrochip implantiert«, sagte Gordon. »Für die Dauer deines Aufenthalts wird dieses kleine Ding die einzige Verbindung zwischen dir und uns darstellen. Es wird deinen Puls messen, deine Blutwerte überprüfen – kurz: Es wird alle wichtigen Körperfunktionen überwachen und die Daten laufend an uns senden, damit wir immer wissen, wie es dir geht. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Bei unseren ersten Versuchen trugen wir nur Elektroden auf der Haut, aber die Gefahr, sie zu verlieren, ist zu groß.«
    John hätte sich gewünscht, zuerst um Erlaubnis gefragt zu werden, bevor man

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