Incognita

einen – wenn auch winzigen – chirurgischen Eingriff an ihm vornahm. Aber da er zugeben musste, dass ihm seine Sicherheit diesen Eingriff wert war, hätte er sich ohnehin einverstanden erklärt, weshalb er auf eine entsprechende Bemerkung verzichtete. Allerdings kam ihm die Sache mit dem Chip dennoch eigenartig vor. »Hast du nicht gesagt, dass ich während meiner Zeitreise in einen anderen Körper schlüpfe?«, fragte er. »Wozu dann dieses Implantat?«
    »Wir haben den Chip so konstruiert, dass er mitwandert«, erklärte John. »Ebenso diese Kette.« Er hielt John ein unscheinbares Schmuckstück mit einem messingfarbenen Kruzifix-Anhänger vors Gesicht. Nichts an dieser Kette wirkte auffällig.
    »Sie ist für den Notfall gedacht und enthält – ebenso wie der Chip – einen Sender«, erklärte Gordon. »Wenn du die Querstrebe des Kreuzes fest zusammendrückst, wird er aktiviert. Sobald unsere Computer das Signal empfangen, wirst du unverzüglich in die Gegenwart zurückgeholt.«
    John war hin- und hergerissen. Er wusste, dass Gordon ihn nur beruhigen wollte, doch allein der Gedanke, dass irgendetwas schiefgehen könnte, löste bei ihm einen unangenehmen Druck in der Magengegend aus. Vielleicht sollte ich die ganze Sache doch lieber abblasen, dachte er.
    Gordon setzte sich neben ihn und legte ihm die Kette um den Hals. »Nun hör endlich auf, dir Sorgen zu machen«, sagte er. »Falls es wirklich brenzlig wird, benutzt du einfach das Messingkreuz. Selbst für den Fall, dass du die Kette verlierst oder das Kruzifix aus irgendeinem Grund nicht aktivieren kannst, haben wir vorgesorgt: Der Mikrochip in deinem Arm löst ebenfalls deine automatische Rückkehr aus, sobald die Messdaten bestimmte Grenzwerte erreichen. Erhöht sich beispielsweise dein Adrenalinausstoß in einer Gefahrensituation, holt unsere Maschine dich binnen einer Sekunde wieder hierher. Dasselbe gilt, falls du verletzt wirst. Du siehst, wir haben an alles gedacht.«
    John nickte. Vielleicht, dachte er, sollte ich mir wirklich nicht so viele Gedanken darüber machen, was alles schiefgehen könnte. Habe ich nicht erst gestern, bei meiner Rede im Museum bemängelt, dass es heutzutage keine echten Abenteuer mehr gibt? Jetzt habe ich die Chance dazu!
    Gordon wandte sich an die beiden Techniker, die am Rand von Johns Gesichtsfeld an der Zeitmaschine herumhantierten. »Vincent, Tom – wie weit seid ihr?«
    »Nur noch ein paar Minuten, Sir«, antwortete einer der beiden, ein schlaksiger Typ in einem Arbeitsoverall. »Wir müssen nur noch das Gravitationsfeld kalibrieren und die Ausrichtung der Imploder-Spirale überprüfen, dann kann's losgehen.«
    »In Ordnung.« Gordon richtete seinen Blick wieder auf John. »Noch ein paar letzte Anmerkungen: Wenn alles nach Plan läuft, wird dein Aufenthalt in der Vergangenheit etwa zwölf Stunden dauern«, sagte er. »Allerdings in vier verschiedenen Etappen. Warum das so ist, haben wir noch nicht herausgefunden. Das Wurmloch gibt uns diese Zeitstruktur fest vor. Jeweils nach etwa drei Stunden wirst du unweigerlich in die nächste Etappe befördert. Am Ende der vierten Etappe kommst du wieder hier an. Besser gesagt: Deine Seele kehrt in deinen Körper zurück. Danach bist du wieder ganz der Alte. Während du durch die Vergangenheit reist, vergehen bei uns hier übrigens nur wenige Minuten. Du brauchst also keine Angst zu haben, dass du während deines Ausflugs etwas verpasst.«
    John gingen eine Menge Gedanken durch den Kopf. Zwölf Stunden – das klang nach unglaublich wenig und gleichzeitig unheimlich viel. Wenig, weil man in dieser Zeitspanne allenfalls einen ersten Eindruck vom Leben der spanischen Konquistadoren bekam, und viel, weil John sich in eine fremde, feindselige Welt begab, die zwölf Stunden in eine quälende Ewigkeit verwandeln konnte. Die Pizarro-Expedition war geprägt von zahlreichen Entbehrungen und unsagbar viel Leid. Es grenzte beinahe an ein Wunder, dass Gordon und dessen Team bereits über hundert Zeitreisen ohne nennenswerte Zwischenfälle überstanden hatten – was wiederum für die Sicherheitsmaßnahmen sprach.
    »Wie fühlt sich das an?«, fragte John. »Ich meine, wenn die eigene Seele in einem anderen Körper steckt?«
    Gordon zuckte mit den Schultern. »Nicht wesentlich anders als sonst, würde ich sagen. Am Anfang kommt es dir vielleicht ungewöhnlich vor, wenn du größer oder kleiner bist – oder so fett, dass du beim Pinkeln dein bestes Stück nicht mehr siehst.« Er