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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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grinste über das ganze Gesicht. »Aber das ist nebensächlich, weil du weißt, dass du nur für einen begrenzten Zeitraum in diesem Körper steckst.«
    Die beiden Techniker meldeten, dass sie sämtliche Vorbereitungen getroffen hatten und verließen das Zimmer.
    »Bist du so weit?«, fragte Gordon.
    »Ich denke schon. Jedenfalls steht mein Entschluss fest.«
    »Beim ersten Mal ist es immer am schwersten. Aber ich garantiere dir: Was du heute erlebst, wirst du niemals vergessen.« Gordon erhob sich und ging zu einem an der Zeitmaschine angebrachten Schaltpult. Er betätigte ein paar Knöpfe, woraufhin sich der Liegeschlitten zu bewegen begann. Surrend wurde John mit dem Kopf voran in den Zylinder eingezogen, Zentimeter für Zentimeter. Drinnen empfing ihn glänzendes Chrom, nackt und abweisend. Die Röhre verströmte eine unheimliche Kälte.
    »Es ist nicht viel gemütlicher als im Kofferraum deines Wagens«, bemerkte John.
    Falls Gordon etwas erwiderte, ging es in dem dumpfen Dröhnen unter, das in diesem Augenblick einsetzte, nicht unangenehm, sondern eher beruhigend. Es hörte sich an wie die leiernden Klänge eines Didgeridoos. John versuchte sich zu entspannen.
    Dann spürte er eine Veränderung. Seine Haut prickelte plötzlich wie elektrostatisch aufgeladen, und ihn überfiel ein Schauder. Obwohl es um ihn herum keine festen Formen gab, erkannte John, dass der Chromzylinder vibrierte. Gleichzeitig schwoll das Dröhnen an, wurde lauter und lauter, und änderte seinen Charakter. Es klang jetzt nicht mehr wie ein Didgeridoo, sondern wie ein heranrasender D-Zug.
    In dem Moment, als John es nicht mehr auszuhalten glaubte, änderte sich die Farbe der Röhre. Sie nahm einen orangeroten Ton an, als würde sie zu glühen beginnen. Tatsächlich verschwand die Kälte von einer Sekunde zur nächsten, und John kam sich plötzlich vor wie in einem Backofen. Sengende Hitze strömte von allen Seiten auf ihn ein, immer heißer und heißer, bis er glaubte, in Flammen zu stehen. Ein Teil von ihm fragte sich, weshalb Doktor Rawlings ihm keine höhere Dosis des Betäubungsmittels gegeben hatte. Der andere Teil von ihm wollte nur noch vor Schmerzen schreien.
    Dann zuckte mit einem Mal ein gleißender Lichtblitz auf, und statt Schmerz empfand John nur noch wohltuende, körperlose Leichtigkeit.

Kapitel 6
    »Hey, Ortega! Wach auf, du faules Schwein! Levántate ! Könnte dir wohl so gefallen, deinen Rausch auszuschlafen, während alle anderen sich abschuften!«
    John hörte die Worte, reagierte aber nicht darauf. Er brachte sie gar nicht mit sich in Verbindung. Erst ein Tritt in die Seite riss ihn aus seinem schwarzen Niemandsland. Er öffnete die Augen und bemerkte, dass er an einer grob gezimmerten Bretterwand hockte. Holzsplitter drückten ihm von hinten in den Nacken. Aus dem festgestampften Lehmboden drangen Feuchtigkeit und Kälte empor. Sein ganzer Körper fühlte sich ausgekühlt und steif an. John blinzelte in die Sonne, die keinerlei Wärme abzustrahlen schien. Über sich erkannte er eine grimmige Gestalt.
    »Hörst du nicht, was ich sage, Ortega? Hoch mit dir, sonst ramme ich dir meine Stiefelspitze in den Arsch, dass dir Hören und Sehen vergeht!« Der Mann packte ihn grob am Arm und zerrte ihn auf die Beine. »Du denkst wohl, du bist was Besseres, Amigo, nur weil Orellana dich geschickt hat? Du denkst, wir erledigen die Drecksarbeit alleine, während du dich hinter die Häuser verdrücken kannst? Aber da hast du dich geschnitten! Du unterstehst hier meinem Befehl. Und wenn ich dich noch einmal beim Faulenzen erwische, wirst du dir wünschen, nie geboren worden zu sein!«
    John stand einem breitschultrigen Mann mit dem Gesicht einer Bulldogge gegenüber. Die eng beieinanderliegenden Augen fixierten ihn mit starrem Blick und gaben ihm das Aussehen eines Idioten. Der vorstehende, mächtig geformte Unterkiefer unterstrich den ersten Eindruck noch. Obwohl der Mann mindestens einen halben Kopf kleiner als John war, zeigte er ihm gegenüber nicht den geringsten Respekt. Zweifellos war er es gewohnt, Befehle zu erteilen, und die mehrfach gebrochene, krumme Nase verriet, dass er keiner Handgreiflichkeit aus dem Weg ging, um diesen Befehlen Nachdruck zu verleihen.
    Der Mann stieß John von sich. John taumelte zwei Schritte zurück, was ihm Gelegenheit gab, den anderen nun von Kopf bis Fuß zu mustern. Über dem gelbschwarzen Hemd trug er einen glänzenden Brustharnisch. Seinen Konquistadorenhelm hatte er unter den Arm geklemmt. An

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