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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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fragte sich zwar, ob er denn nun vollends den Verstand verloren habe, doch der weitaus größere Teil begeisterte sich für die Vorstellung, als einer der ersten Menschen die Zeit zu durchqueren. Neugier und Abenteuerlust überwogen sämtliche Bedenken.
    Gordon fuhr unbeirrt mit seinen Erklärungen fort. Er erzählte etwas von Gravitationsfeldern, Planck-Zeiten und dem Casimir-Effekt – alles Dinge, mit denen John sich lange nicht mehr befasst hatte. Und obwohl er diesen Ausführungen nicht mehr folgen konnte, räumten sie doch seine letzten Bedenken beiseite. Sein alter Freund Gordon schien genau zu wissen, wovon er sprach. Ein beruhigendes Gefühl.
    John hob die Hand. »Hör endlich mit deinem Fachchinesisch auf«, sagte er. »Du hast mich ja schon überzeugt.«
    Gordon verstummte mitten im Satz. »Heißt das, du wirst meine Maschine ausprobieren?« Es klang, als handle es sich lediglich um eine Spritztour auf einem neuen Motorrad.
    John zog abwägend die Mundwinkel nach unten. »Ich muss völlig übergeschnappt sein«, sagte er. »Aber ja – ich werde deine Maschine ausprobieren.«
    Die restlichen Vorbereitungen waren nach Johns Empfinden erstaunlich schnell erledigt. Es erschien ihm unlogisch, dass für einen Raketenstart ins All – heute schon beinahe Routine – eine ganze Armee von Wissenschaftlern monatelang Berechnungen durchführen musste, während die bevorstehende Zeitreise ohne größeren Aufwand vonstatten zu gehen schien. Andererseits war es natürlich besser so. Ein allzu langwieriger Start-Check hätte ihn seinen kühnen Entschluss womöglich noch einmal überdenken lassen.
    Er musste sein Hemd aufknöpfen, und ein Mann im weißen Kittel heftete ihm eine Reihe von Elektroden an die Brust. Auch an Stirn und Schläfen wurden Elektroden angebracht. Sämtliche Kabel verschwanden irgendwo im Innenleben der Zeitmaschine. Auf einem Rollwagen, den ein Techniker hereinschob, stand eine Konsole mit Monitoren, die eine Vielzahl von Messwerten anzeigten. John konnte damit kaum etwas anfangen. Auf einem der Bildschirme hüpfte ein grüner Bildpunkt wie ein Flummi von links nach rechts, begleitet von einem penetranten Pling bei jedem Ausschlag. Zweifellos Johns Puls. Er kam sich vor wie in einem Krankenhaus. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch, als der Weißkittel mit einer Kanüle auf John zukam und ihn bat, seinen linken Ärmel hochzukrempeln.
    »Was ist das?«, wollte John wissen.
    »Damit wird Doktor Rawlings dir ein Betäubungsmittel verabreichen«, erklärte Gordon, der neben ihm stand und die Vorbereitungen im Auge behielt. »Es lindert die Schmerzen.«
    »Schmerzen? Davon hast du mir vorhin aber nichts gesagt!«
    »Es wird ja auch keine Schmerzen geben – eben weil du vorher betäubt wirst. Also leg dich hin, entspann dich und lass alles andere ganz einfach geschehen, okay?«
    Doktor Rawlings desinfizierte eine Stelle an Johns Armbeuge, stach ihm die Kanüle unter die Haut und bat ihn, sich auf die Liege zurückzulegen. John tat es. Rawlings justierte die Kanüle mit Pflasterverband und schloss sie an einen dünnen Schlauch an, der aus einer Seitenkonsole neben dem Liegeschlitten kam. Zuletzt schnallte er mit Hilfe dreier Klett-Manschetten Johns Arm auf der Konsole fest.
    Das alles ging zügig und professionell vonstatten. Dennoch drängten sich John plötzlich ein paar Fragen auf, die er unter den ganzen ersten Eindrücken vergessen hatte zu stellen. »Gordon, wird mich jemand auf der Reise begleiten? Du oder einer deiner Leute?«
    »Das geht leider nicht. Wir können nie mehr als eine Person in die Vergangenheit schicken. Die Beschaffenheit des Wurmlochs lässt das nicht zu.«
    Nicht gerade das, was John zu hören gehofft hatte, aber an den Tatsachen ließ sich nun mal nichts ändern. »Wie komme ich wieder in die Gegenwart zurück?«
    »Gedulde dich noch einen Moment, das erkläre ich dir gleich. Aber ich verspreche dir, wir haben an alles gedacht.«
    »Und was ist mit meinen Klamotten?«
    Gordon hob die Brauen. »Was soll damit sein?«
    »So, wie ich aussehe, werde ich im fünfzehnten Jahrhundert total auffallen, oder etwa nicht?«
    Gordon lachte. »Keine Sorge! Deine Kleidung spielt absolut keine Rolle. Sie wird nämlich nicht mit auf die Reise gehen.« Er drückte einen Knopf, woraufhin eine durchsichtige Flüssigkeit durch den Schlauch in Johns Arm gepumpt wurde. Beinahe augenblicklich wurden seine Finger taub.
    »Soll das heißen, dass ich nackt im Jahr1541

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