Indigo (German Edition)
ich.
– Nein. Aber ich werde Ihnen etwas geben, das Sie lesen sollten.
Er holte eine grüne Mappe aus einem Aktenschrank. Er schlug sie auf und zeigte mir den Inhalt. Zeitungsausschnitte. Dazwischen auch handschriftliche Zettel.
Die Relokation der Magda T., stand auf dem Titelblatt.
– Lesen Sie’s durch. Sie werden dann besser verstehen, worum es uns geht. Können Sie morgen um acht Uhr wieder hier sein? Dann stelle ich Ihnen meine Kollegen vor und wir ... wir haben uns auch eine kleine Demonstration für Sie überlegt. Wie gesagt, ich hab Ihre Artikel damals mit großem Interesse gelesen.
– Vielen Dank.
– Und bitte entschuldigen Sie, dass ich jetzt so unhöflich bin und Sie rauswerfe. Ich erwarte heute Abend noch Gäste.
In meinem Hotelzimmer übergoss ich mich in der Badewanne mit Shampoo und Duschgel, bis ich mir selber unheimlichwurde, wie diese entsetzlichen Gestalten in Pornofilmen, die vom Ejakulat Dutzender Männer bedeckt sind und blind und klebrig am Boden herumrobben.
Mit glitschigen Fingern rief ich Julia an. Sie ging ran, und an ihrer Stimme merkte ich, dass auch ihre Haare nass waren. So langes, voluminöses Haar speichert viel Wasser und verändert das Körpergefühl.
– Weißt du, was unheimlich ist?, fragte ich.
– Was?
– Blasen.
– Wie? Meinst du so – ffff?
– Nein, so wie Seifenblasen. Die sind eine Weile da, schweben herum. Wie kleine Raumschiffe, und dann platzen sie.
– Hunde lieben Seifenblasen.
– Hunde, ja ...
– Geht’s dir gut?
– Ich weiß nicht.
– Beunruhigen dich wieder irgendwelche Leute?
– Nein, diesmal ist keiner, der ...
– Hinter dir her –
– Nein, das sind sie nicht, ich meine ... ach, ich hab keine Ahnung. Ich hab wieder dauernd diese Kopfschmerzen und kann mich nicht konzentrieren.
– Geburtswehen wahrscheinlich.
– Ja.
– Ich hab dir gesagt, du sollst nicht nach Wien fahren. Zu diesem Baumdings.
– Baumherr. Er war nicht sehr gesprächig. Das heißt, es war eher verwirrend. Aber er hat mir etwas zu lesen gegeben. Über eine Relokation.
– Über was?
– Relokation.
– Clemens, du steigerst dich viel zu sehr rein in dieseSache. Sag mir lieber, wo du die Seifenblasen machst? Im Hotelzimmer?
– Ach nein, ich hab nur mit dem Shampoo gespielt. Tun das eigentlich Menschen? Ich meine, normalerweise? Mit Shampoo spielen?
– Natürlich. Ist ganz normal.
– Das heißt, alle tun das, ja? Schütten es sich übers Gesicht und blubbern dann. Weil, es brennt schon in den Augen ...
– Doch. Ist ganz normal. Das tun alle.
– Und du bist dir da sicher, ja?
– Vollkommen sicher.
– Ich weiß solche Sachen ja nie.
Eine Weile sagten wir beide nichts. Ich plätscherte ein bisschen mit dem Wasser.
– Ich finde die Vorstellung von Seifenblasen seltsam, sagte ich.
– So? Inwiefern?
– Na ja, ich meine, diese Luft, die da in diese Kugel eingesperrt ist, diese klare Grenze zwischen Innen und Außen, diese ...
Ich stockte. Stieg aus der Wanne.
Badewasser rann von meinem Penis, als würde ich pinkeln.
– Was machst du denn?, fragte Julia.
– Warte, mir ist gerade etwas klargeworden ... die Grenze zwischen Innen und Außen, wie bei der Seifenblase ... Ich muss nur ... Ich brauch nur etwas zu schreiben ...
– Oh, ist das jetzt dieser Moment wie bei Dr. House oder The Closer oder Monk, wo er etwas sagt, was nichts mit dem Fall zu tun hat, und plötzlich stockt er, und sein Blick wandert so komisch zur Seite, und er hat die Lösung?
– Äh ... was?
– Jetzt sollte eigentlich die Musik einsetzen, irgendwasmit Vibraphon oder wie immer das Ding am Anfang von American Beauty heißt.
– Warte einen Augenblick, ich vergesse sonst, was mir eingefallen ist.
– Sag’s mir, dann merke ich es mir.
– Na ja, also ... ich weiß nicht genau ... Ah, dieses dauernde Stechen im Kopf ... ich kann mich nie auf eine einzige Sache konzentrieren.
– Das ist alles die Schuld dieses Instituts!
– Nein. Nein, das ist es nicht ... Ach, verdammt, was war es jetzt ... ich hab’s wieder vergessen ...
– Seifenblasen. Der Raum in der Seifenblase. Die klare Grenze zwischen Innen und Außen. So hast du’s gesagt. Soll ich noch mal zurückspulen?
– Nein, ich ... ah, ich hab keine Ahnung ... Verdammter Mist, es ist weg ...
4 Happy Accidents,
Midi-Chlorianer
Es war nicht schwer, die Adresse von Clemens Setz herauszubekommen. Man brauchte nur im Telefonbuch
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