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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Ferenc-Hollereith fragte sich – oder erhielt, wie Zone es darstellt, von seinen Vorgesetzten den Befehl, sich zu fragen –, ob die ursprünglichen Tierexperimente nicht für die Klärung anderer wissenschaftlicher Streitfragen verwendet werden könnten. Vielleicht war bei den ursprünglichen Versuchsreihen ja etwas übersehen worden.
    So weit der Ertrag des dreistündigen Telefongesprächs mit Oliver Baumherr. Julia kam während des Gesprächs mehrere Male ins Zimmer. Einmal legte sie von hinten eine Hand auf meine Schulter und ließ sie dort, bis ich mich ruckartig nach vorne bewegte, weil Herr Baumherr gerade etwas un-heimlich Interessantes gesagt hatte. Als ich mich dann umdrehte, stand sie nicht mehr hinter mir. Ich hörte die Wohnungstür zufallen.
    Bei der Verabschiedung lud mich Oliver Baumherr ein, ihn in Wien zu besuchen. Er habe meine Artikel damals mit großem Interesse gelesen.
    U-Bahn-Wind
    Im Zug nach Wien hörte ich mir zwei Stunden lang die wil-den Studies for Player Piano von Conlon Nancarrow an, die mich richtig wach machten und mir Selbstvertrauen gaben. Dann nahm ich die U1 in Richtung Karlsplatz. Die U-Bahnkündigte sich durch den charakteristischen Tunnelwind an, eine sonderbar sinnentleerte Bewegung der Luft, die in allen Metropolen der Welt gleich riecht und schmeckt. Vor Jahren hatte ich einmal in einem Artikel gelesen, dass die losen Haare, die durch den Tunnelwind von den Köpfen der am Bahnsteig wartenden Menschen gerissen werden, sich über die Jahre hinweg im Tunnel sammeln, an den seltsamsten und unzugänglichsten Stellen, und hie und da wieder hervorbrechen und als spinnwebfeiner Phantomzug vor dem echten Zug her rollen. In der Londoner Untergrundbahn habe man in den Neunzigerjahren riesige Haarballen entfernen müssen, die die reibungslose Fahrt der Züge behindert hätten, und man habe bei Inspektionsgängen auch Nester entdeckt, selbst für einen eingerollten Menschen groß genug, die vermutlich von Tunnelratten gebaut worden waren, welche von dem Überangebot an weichem und ideal biegsamem Nestbaumaterial zu diesen barocken Wohnkonstruktionen inspiriert worden waren. Ein Eingang zu einem stillgelegten Neben- oder Sicherheitstunnel sei von einer Art Spinnennetz aus ineinander verwobenen menschlichen Haaren verstopft gewesen und die Arbeiter hätten es fast nicht geschafft, es zu entfernen. Und dann sei da natürlich noch der obdachlose Mann namens Fred gewesen, für einige Tage habe sein Bild die Zeitungen gefüllt, ein schon seit Jahren in den Stollen abseits der großen Verbindungstunnel hausender Mensch, der sich aus dem überall durch die Luft fliegenden Haar eine Mütze gebastelt hatte. Diese sei ihm später von einem Journalisten gestohlen worden, hieß es, und tatsächlich tauchte sie wenig später in einem dubiosen Auktionshaus wieder auf, allerdings fälschlich oder in betrügerischer Absicht bezeichnet als Heilartefakt eines inzwischen ausgestorbenen Nomadenstamms aus dem Niger.
    Am Telefon ekelte sich Julia ein wenig vor meiner improvisierten Beschreibung eines gigantischen Haarballens, der durch den Tunnel geflogen sei, direkt an uns vorüber. Aber sie lachte auch und fragte, welche Form er denn gehabt habe.
    – Wie die Landefähre der Apollo 11, sagte ich.
    Sie riet mir, auf Reisen weniger Nancarrow zu hören, von der irren Musik würde ich bloß unnötig high. Noch bevor ich nachfragen konnte, woher sie wisse, was ich gehört hatte, legte sie auf.
    APUIP
    Der Mann, der mir die Tür öffnete, war recht klein und wirkte auf eine beinahe schon rührende Weise gedrungen und kompakt. Sofort entwickelte ich das starke Gefühl, ihn hochheben, vorsichtig herumrollen und durch eine kreisrunde Öffnung drücken zu müssen; seine Gesichtshaut schien wie zum Anfassen gemacht.
    Oliver Baumherr war Vorsitzender einer Organisation mit einem bizarren Namen: Association for the Peaceful Use of Indigo Potential. Oft werde der Name – zu Baumherrs Leidwesen – abgeändert zu Association for the Peaceful Use of Indigo Children, erzählte er mir. Vereinigung zur friedlichen Nutzung von Indigo-Kindern. Ja, jetzt wo ich sie hörte, fiel mir ein, dass ich auch schon auf diese Formulierung gestoßen war, irgendwo, in einem Zeitschriftenartikel.
    Als ich diese Erinnerung ihm gegenüber erwähnte, zog er ein Blatt Papier zu sich heran und nahm einen Stift zur Hand.
    – Welcher Artikel war das?
    – Das weiß ich nicht mehr.
    – War er von dieser elenden

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