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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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da …
    – Warum?
    – Na ja, weil Sie … äh …
    – Ist schon gut, sagte er. Ich ziehe Sie nur auf.
    – Das ist ein schrecklicher Fall, finden Sie nicht?
    – Was?
    – Na, der Lehrer von dort. Der einen Mann umgebracht hat.
    – Ah, ja.
    – Er war eigentlich jahrelang Lehrer am Oeversee-Gymnasium, aber das erwähnt er nie! Immer heißt es nur: Helianau, Helianau. Ich glaube, er macht diese Schule für seine Verbrechen verantwortlich.
    – So, aha, sagte Robert.
    Die Frau begann ihm zu gefallen.
    – Entschuldigen Sie, dass ich Sie gleich damit überfallen habe, lachte die Nachbarin. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass Sie in dieser Schule waren.
    Sie trat einen Schritt auf ihn zu:
    – Haben Sie ihn gekannt?
    Ich habe gerade gestern versucht, ihn zu besuchen. Unangemeldet. Setze meine eigene Haut aufs Spiel, sozusagen.
    – Nein, sagte Robert.
    – Ach, sagte die Frau.
    Sie schien ein wenig enttäuscht.
    – Ich weiß nur, dass er Bücher schreibt. Und einem Mann bei lebendigem Leib –
    – Aber die haben ihn freigesprochen! Haben Sie’s nicht gelesen?
    – Doch.
    – Ja, ich finde auch, dass das ein Skandal ist. Leute, die so etwas tun, schickt man doch nicht in die Gesellschaft zurück, als wäre nichts gewesen! Dass so ein Mann jahrelang mit Kindern zu tun hatte. Schauen Sie, hier!
    Sie hielt Robert ein Buch hin. Er nahm es in die Hand.
    – Ich hab’s noch nicht gelesen. Aber ich hab’s mir natürlich sofort gekauft, wissen Sie. Denn in einem Interview hat er jetzt behauptet, dass das Buch einen Code enthält. Er hat es damals geschrieben, als er … ah, wie war das … Er … er behauptet, dass es irgendwie seine Unschuld beweist.
    – Das hier?
    – Ja. Wenn Sie mich fragen, ist der krank. Einfach krank. Redet um sein Leben. Ganz besonders jetzt, wo er frei ist.
    – Was bedeutet denn der Titel?
    – Keine Ahnung. Aber der Roman war gar nicht leicht zu bekommen. Überall ausverkauft, wegen dem Fall. Dem Freispruch! Ein Skandal ist das, in was für einer Welt wir leben. Ich als Mutter … ich will mir gar nicht vorstellen, in was für einer Welt mein Sohn einmal leben wird.
    – Was soll denn das Buch mit seiner Unschuld zu tun haben?
    – Keine Ahnung, irgendeine Art Code, oder so. Aber wenn Sie mich fragen, das ist vollkommener Schwachsinn, ein Verkaufstrick. Asche.
    – Asche?
    – Na ja, Asche, sagte sie.
    Und deutete auf ihre Stirn, als befinde sich dort ein entsprechendes Mal.
    – Worum geht’s?
    – Ach, ich hab keine Ahnung. Das ist so verworren. Ein junger Mann, der sich umbringt, und dann gibt sein Vater ein nachgelassenes Manuskript seines Sohnes heraus. Und dieses Manuskript wird am Ende irgendwie verbr… nein, das ist ein anderes, ach, das Buch ist total …
    Sie nahm einen Apfel, legte ihn sich auf den Kopf und machte mit ihrem Zeigefinger Schießbewegungen ( P’tschiu, p’tschiu! ), um ihren Eindruck von dem Buch zu illustrieren. Dann lachte sie, und auch Robert lachte. Ja, ihm gefiel die Frau.
    – Hat der Mann Sie neulich eigentlich gefunden?, fragte sie, immer noch lachend.
    – Was für ein Mann?
    – Ein Mann, der war da … im Hof, und er hat mich gefragt, ob ich Sie kenne, und ich hab gesagt – 
    – Einen Moment, ein Mann? Wie hat er ausgesehen?
    – Ach, ich weiß nicht, so … der Kopf kahl und etwa so groß und recht schmal. Vor allem hier an den Schultern. Hat er Sie gefunden?
    Robert fühlte, wie starr sein Gesicht war. Er konnte sich nicht entschließen, irgendeinen Muskel zu bewegen.
    – Ja, sagte er schließlich.
    – Schön, sagte die Frau. Da bin ich beruhigt. Ich hab ihm nämlich nicht gesagt, wo Ihre Wohnung ist. Das hat ihn ein bisschen verärgert, glaube ich.
    – Hatte der Mann …, begann Robert.
    Aber dann fiel ihm ein, dass er ja gerade behauptet hatte, der Mann wäre bei ihm gewesen.
    – Hatte der Mann … für Sie, ich meine, in Ihren Augen, nicht einen ziemlich … glühbirnenartigen Kopf?
    Die Frau lachte. Dann sagte sie:
    – Ja. Ich schätze ja. Hab ich nicht so betrachtet, aber … Ja.
    – Er war also rund, Ihrer Meinung nach, so richtig glühbirnenförmig?
    – Hihihi …
    Mit dem Buch in der Hand war er aus der Wohnung gerannt. Frau Rabl hatte nicht einmal protestiert oder versucht, ihn zurückzuhalten. Er lief über die Straße, kam an einem Müllkorb vorbei, warf das Buch aber nicht hinein. Der Taxistand war leer. Es würde bestimmt nur zwei, drei Minuten dauern, bis die Wagen

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