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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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wären, so schön und lang wie vorher. Ihr sei es nicht möglich gewesen, all die Fragen des Mannes zu beantworten, also habe sie ihn gebeten, sie zu einem Telefon zu führen.
    Darauf habe der Mann gelacht und gesagt, es sei ihnen selbstverständlich verboten zu telefonieren, davon bekäme man nur Strahlung in den Schädel und ein Satellit lade einen mit Elektrizität aus dem All auf, so dass man für mehrere Tage kampfunfähig im Bett liege, der Kopf so groß wie das Zimmer und die Hände so klein wie die roten Schwefelköpfe von Streichhölzern.
    Irgendwann sei sie dann auch von diesem Mann weggezerrt worden, endlich habe man ihr zugehört und es sei auf einmal alles ganz schnell gegangen, sogar ein Telefon sei bereitgestanden und man habe für sie verschiedene Stellenangerufen. Nach einer halben Stunde bei den freundlichen und verständigen Menschen sei sie wieder allein gelassen worden und nach einer Weile sei der verständige Mann mit Bart zurückgekommen, der einen weißen Kittel getragen habe, und habe gesagt, ihm sei etwas übel und schwindlig, er habe sich wohl den Magen verdorben an dem elenden Fraß, den sie einem hier vorsetzen.
    Obwohl ich nicht ganz verstand, was genau passiert war und was ich da gerade gelesen hatte, musste ich herzlich lachen.
    Um die Aufregung vor dem Treffen mit Herrn Ferenc in den Griff zu bekommen, hörte ich mir ein paar Lieder der englischen Band Faithless auf dem iPod an: Mass Destruction, Insomnia und Bombs.
    Außerdem war ich in der Stadt, in der Europa hergestellt wurde. Hier konnte man sich zumindest für einige Stunden zerstreuen. Ich schaute mir das pinkelnde Männchen an, die größte Attraktion der Stadt. Eine dichte Traube von Touristen umstand die winzige Skulptur. Eine italienische Touristin war vor lauter Staunen in Tränen ausgebrochen und fotografierte sie inbrünstig von allen Seiten.
    Als ich wieder ins Hotel zurückkam, sagte der Mann an der Rezeption, jemand habe etwas für mich abgegeben.
    – Voilà, sagte er leise, als er es mir übergab.
    Ein Jenga-Stein. Etwas abgewetzt, aber noch gut erkennbar.
    – Merci, sagte ich.
    Ich hatte mit der Stimme am Telefon einen Treffpunkt in der Nähe meines Hotels vereinbart. In einem kleinen, grünbraunen Park voller Raben wartete ich darauf, dass mich jemand ansprach. Ich hielt den Jenga-Stein vor mich hin, gut sichtbar für alle, die vorbeigingen.
    Die großen Vögel mit ihren vollkommen schwarzen, augenloserscheinenden Köpfen staksten mürrisch über die Wiese und stöberten mit ihren Schnäbeln zwischen den Grashalmen nach Nahrung. In einiger Entfernung stand eine Stahlkonstruktion, die offensichtlich den Anspruch erhob, Kunst zu sein, und dadurch so vollkommen allen gegenwärtigen und zukünftigen Problemen der Brüsseler Bevölkerung enthoben und entrückt schien, dass es fast schon beleidigend wirkte.
    – Jenga.
    Herr Ferenc war eine eigenartige Erscheinung. Sein Gesicht zierten lange Koteletten, obwohl sich sein Haupthaar bereits deutlich gelichtet hatte. Er war auffallend dünn und hatte ungefähr so viel Schultern wie ein Ei. Wenn er lachte, bekam sein Ausdruck etwas Stillzufriedenes und Offenes wie der eines Faultiers.
    Auf dem Weg hinaus aus dem Park überquerten wir eine Wiese, auf der eine große Eichenholztruhe stand, daneben lehnten zwei Menschen, die silbrig buntes Bühnengewand wie für eine Zauber-Show trugen, an einem Baum und rauchten Zigaretten. Drei Steinstufen führten uns von der Grünfläche hinunter auf den Gehsteig der Avenue des Azalées. Wir folgten ihr südwärts und betraten schließlich ein kleines Restaurant, in dem Herr Ferenc mit einer Verbeugung begrüßt wurde.
    – Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, sagte ich.
    Herr Ferenc nickte nur.
    – Sie müssen mein Deutsch entschuldigen, sagte er. Es ist angerostet.
    Er sprach mit einem sehr leichten Akzent, der osteuropäisch klang.
    – Wie sind Sie zu dem Namen Ferenc gekommen?
    – Oh, sagte er. Auf dem Schwarzmarkt.
    Er lachte.
    – Es gibt für alles einen Schwarzmarkt. Auch für Namen.Auch für Aussehen. Einen gigantischen. Einen monströsen. Aber das Problem ist nie die Herstellung an sich. Das heißt, keiner weiß die Formel. Wie’s geht. Verstehen Sie? Ein richtiger, ein funktionierender Name.
    Ich ließ die Kürbiscremesuppe von meinem Löffel zurück in den Teller tropfen, legte den Löffel hin und blickte ihn an. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde weicher, mitleidiger. Er schüttelte den Kopf

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