Indigo (German Edition)
Wirklichkeit und in echt, uncanny ist?, fragte Willi. Vergiss Hautabziehen, vergiss den Köter im Weltall. Ich hab hier grade was total Irres entdeckt.
Er hatte die Zeitung in der Hand.
– Schau mal, das Ding hier auf dem Bild müsste dir doch bekannt vorkommen …?
Das Ding war offenbar nicht der Mann mit Brille und ernstem Gesicht, der soeben freigesprochene Mathematiklehrer. Er schaute direkt in die Kamera. Sein Blick hatte etwas altklug Eulenhaftes. Aber neben ihm, auf dem Tisch, stand eine Flasche. Es war nicht klar, was sie enthielt. Aber auf dem Etikett war ein kleiner Hundekopf zu sehen.
– Huu…, machte Robert leise.
– Der hat Nerven!, sagte Willi. Aber auch Stil. Das nennt man wohl Understatement.
– Mir ist schlecht, sagte Elke.
Willi schien nicht zu wissen, ob er darauf mit einem lachendenoder einem mitleidigen Gesicht reagieren sollte. Er machte beides, was einfach nur lächerlich aussah. Wie ein betrunkener Clown.
– Gluckgluckgluck, sagte Robert und trank aus seinem Daumen. Da siehst du’s.
Willi studierte das Bild.
– Weißt du was? Man sieht’s ihm gar nicht an.
– Ja, er hat das ziemlich gut im Griff gehabt, sagte Robert. Nehme ich zumindest an. Man hat ihm auch damals nicht angesehen …
– Nach einem Anfall … zurückgezogen … beteuerte bis zuletzt seine Unschuld … ganz dem Schreiben widmen …
Willis lesender Zeigefinger scannte die Zeilen des Artikels.
– Anfall?, fragte Cordula.
– Steht aber nicht da, was für einer, murmelte Willi.
– So wie damals der Virus beim Beamen, sagte Robert, der gerne für Elke das Thema wechseln wollte (ihr Gesicht war bleich geworden).
– Hä?
– Damals, als sich im Beam-System der Enterprise irgendein Fehler einschleicht, eine Art Computervirus, und die Leute, die sich beamen lassen, bekommen alle einen schrecklichen Anfall, nachdem sie sich wieder materialisiert haben.
– Und was zum Teufel soll das mit der weißen Freitreppe?, fragte Willi, der mit dem Finger eine Zeile in dem Artikel las und nichts von dem, was Robert gesagt hatte, mitbekommen hatte.
– Weißt du was? Vielleicht ist er ja wirklich unschuldig. Vielleicht sollten wir –
– Vielleicht solltest du ihn besuchen?, sagte Willi.
– Spinnst du? Hast du nicht gelesen, was der … Und ich soll zu ihm gehen? Der würde doch nicht mal kapieren, was ich von ihm will. Ich meine, der kriegt Anfälle und trinkt und … zieht …
– Robert, sagte Cordula.
– Er sieht gar nicht so aus, sagte Elke, die sich nun auch in die Nähe des Fotos getraut hatte.
– Wie?
– Na ja, du weißt schon. Sein Blick ist irgendwie klar. Da, schau.
– Das ist wahrscheinlich ein altes Foto. Glaub mir, der schaut jetzt bestimmt nicht mehr so aus.
Eine Pause entstand. Die Zeitung wurde eine Spur dunkler und unschärfer. Cordula tippte sie an.
– Ich frag mich, was so was auslösen kann, sagte sie. Ich meine, wie’s dazu kommt. Bahnt sich das langsam an, oder …
– Warum fragst du nicht einfach, was du fragen möchtest, sagte Robert wütend.
– Was?
– Du hast mich schon verstanden.
– Nein, ich –
– Ach, spiel doch nicht die Unschuldige, sagte Robert. Du wolltest mich danach fragen, also frag. Es ist in deinem Kopf, und es will raus. Du brauchst dich nicht dafür zu schämen. Ich hab weiß Gott schon schlimmere Sachen gehört. Letzte Woche war die Frau Rabl da und hat sich bei mir für ihr dreckiges kleines Scheißkind entschuldigt.
– Robert, ich weiß wirklich nicht, was du meinst.
– Ja, sagte Willi. Sie wollte bestimmt nicht …
– Mein Gott, das ist doch nicht so schwer. Frag mich. Los. Ich kann damit umgehen. Glaubst du, nur weil ich’s nicht mehr habe, ist es nicht mehr da. Es geht wahrscheinlich nie ganz weg. Es ist wie ein Fallschirm, den ich mein ganzes Leben mit mir herumtrage. Weißt du? Wie diese Fallschirmjäger, die am Boden landen und dann den Schirm hinter sich herschleppen wie riesige gebrochene Flügel.
– Schönes Bild, sagte Cordula.
– Ja, finde ich auch, sagte Elke.
– Meine Güte, lachte Robert, lenk doch nicht ab. Zumindest nicht so plump. Ich will, dass du mich fragst, bitte. Vor unseren Freunden. Siehst du, ich bitte dich sogar darum.
– Robert …
– Soll ich auf die Knie fallen? Oder …
– Ist schon gut, sagte sie.
Sie ging zu ihm. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er bis in die Ecke des Zimmers zurückgewichen war. Sie nahm seine Hände, die er von sich
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