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Indigo (German Edition)

Indigo (German Edition)

Titel: Indigo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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neunzehnten Jahrhundert, die aus dem Saal gelaufen sind, als der Zug auf sie zu –
    – Aber die waren naiv, sagte Elke.
    – Gut, man hat sich inzwischen an alles Mögliche gewöhnt. Aber die Menschen waren erschüttert, zutiefst erschüttert. Das nennt man das uncanny valley.
    – Un…
    – Unheimliches Tal, sagte Willi. Das erstreckt sich von fünfundneunzig bis neunundneunzig Prozent.
    – Von was?
    – Von einem Gesicht. Einem menschlichen Gesicht.
    – Aha, sagte Robert. Du meinst mit Haut und allem.
    Er machte eine Haut-abzieh-Geste quer über sein Gesicht und schnitt dazu eine schmerzverzerrte Grimasse.
    – Ich finde, ihr seid unfair, sagte Cordula.
    – Können wir nicht von was anderem reden?, fragte Elke.
    – Diesen unheimlichen Effekt gibt es immer bei besonders realistisch wirkenden Simulationen, besonders von Babys. Deshalb hab ich dich vorhin gebeten, ein paar Babys zu zeichnen.
    – Hab ich noch nie gemacht, sagte Robert. Nackte Kerle, kein Problem, aber ich hab noch nie ein Baby im Früchtekorb gesehen, in keiner Zeichenstunde.
    Er stellte es sich vor.
    – Heute sieht man das uncanny valley manchmal noch bei Menschen, die einem im Traum über den Weg laufen, sagte Willi. Dieses Haarscharf-Daneben, das … das hält niemand aus. Ein Mensch, der von einem anderen Menschen entworfen wurde, vielleicht war es auch das, dieses religiöse Element … aber angeblich war das nicht der Grund. Es war wahrscheinlich mehr psychologisch, verstehst du? Wir wollen so etwas nicht sehen. Etwas, das sich von der anderen Seite, von der anorganischen, unserer Seite nähert … sozusagen …
    Der Satz war ihm nicht ganz gelungen, seine Hände machten kreisende, nervöse Bewegungen, als wollte er die Trümmer der verunglückten Syntax aus der Luft verscheuchen, um neu beginnen zu können.
    – Reborn-Babys, sagte Willi. Die kann man bestellen. Sehen genauso aus wie die Babys, die man verloren hat.
    Er blickte im Raum umher.
    Cordula seufzte:
    – Ja, das werd ich auch nie verstehen. Wozu sich Frauen diese Nachbildungen anfertigen lassen.
    – Phantomschmerz, sagte Willi.
    – Okay, ich bin glücklich, sagte Robert.
    Alle schauten ihn an.
    – Ja, weil ich ausgestiegen bin, sagte er. Ich weiß nicht, wovon ihr redet.
    – Sei froh, sagte Elke. Ist wirklich total creepy.
    – Und mein ehemaliger Mathelehrer ist ein brutaler Irrer. Ha!
    Weißt du, Robin, die Aufmerksamkeit der Menschen ist wie ein Blatt im Wind, mal fliegt es hin, mal fliegt es her, und es landet irgendwo auf einem Haufen anderer Blätter.
    – Ich glaube, das wirkliche Problem ist, dass Roboter nicht menschlich aussehen müssen , klar?, sagte Willi. Aber wir schon, aus evolutions… technischen Gründen, wir würden sonst aussterben, weil wir uns nicht mehr, äh, fortpflanzen könnten, wenn wir, also das heißt, es würde uns ja keine Frau in ihre Nähe lassen, wenn wir nicht wie Menschen aussehen. Aber die Roboter, dieRoboter müssen nicht menschlich aussehen, sie überleben auch ohne unsere Proportionen und Mimik und einem Augenpaar und fünf Fingern an jeder Greifhand. Daher wirken sie auch so vergewaltigt und umoperiert, wenn sie doch wie wir aussehen.
    – Es gibt doch gar keine Roboter, warf Elke ein.
    – Sicher gibt’s die.
    – Aber keine echten Roboter, sagte sie. Nicht die, die ihr meint, die herumgehen und sprechen können.
    – Natürlich! Es gibt sogar Meisterschaften!
    – Aber nicht wirklich, beharrte Elke.
    – Kommt darauf an, was man unter wirklich versteht, sagte Willi.
    – Weißt du was?, sagte Robert. Das ist total schräg. Ich bin ausgestiegen aus der Unterhaltung, und jetzt bin ich plötzlich wieder reingefallen und verstehe alles. Sozusagen rückwirkend. Das ist uncanny.
    – Ja, warum hörst du denn auch andauernd so aufmerksam zu?, sagte Willi.
    – Bin ich eigentlich auch uncanny?, fragte Robert plötzlich, todernst.
    Willi schaute drein, als hätte man ihm einen Sheriffstern mitten aufs Auge geheftet.
    Robert erlöste ihn, indem er grinste und mit seinen zur Pistole ausgestreckten Fingern ein Reingelegt! auf Willi abfeuerte.
    – Mann, du bist vielleicht …
    – Ich bin vielleicht in der Lage, eines Tages bei Star Trek mitzuspielen, sagte Robert. Als Energiefeld oder so.
    Niemand lachte.
    – Aber nicht in den Originalfolgen, sagte Willi. Lass mal das Alte Testament in Ruhe.
    – Und bei den neuen?
    – Kommt aufs Evangelium an. Picard und die anderen sind sakrosankt, die würden

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