Indigo (German Edition)
Jahr.
– Zwanzigtausend?
– Entschuldigen Sie, dass ich lache, sagte Dr. Rudolph. Aber es ist eine typische Mathematikerfrage. Haha. Und dazu kommen natürlich noch andere spezielle Dinge, wie zum Beispiel Zoom-Equipment. Für die Bewältigung des Alltags.
– Wäre es möglich, eines der Klassenzimmer zu sehen?
– Natürlich, es gibt im Übrigen nur drei. Aber die sind (er hob seine Brille hoch und blickte auf die Uhr) im Augenblick alle besetzt. Gegen halb elf wird allerdings der Hörsaal A frei.
4 Preisverleihung
Das M auf der Stirn der Katze war ihm besonders gut gelungen. Der Rest war, na ja, okay, bestenfalls. Die Narben waren ziemlich kitschig. Auch die Vorrichtung, in der das Tier steckte, war perspektivisch etwas zu sehr verkürzt. Und der Holzpflock war zu dunkel. Ein leider immer wieder auftretender Fehler. Aber den Leuten schien das Bild zu gefallen. Sie sahen darin alles Mögliche. Manchmal brachen Frauen davor sogar in Tränen aus und hielten sich an ihrer eigenen Kleidung fest.
Diesmal hatte er mit Fotografien gearbeitet. Oder eigentlich nicht direkt Fotografien, sondern mit Standbildern aus einem Film. Es war eine Dokumentation über eine Universität in den USA, die immer wieder in den Medien erwähnt wurde, als Negativbeispiel. Schließlich war ein Student mit einer versteckten Kamera in die Versuchsanlage marschiert und hatte über vierzehn Stunden Videomaterial gesammelt. Aus den vierzehn Stunden hatten die Filmemacher, ein Ehepaar aus Australien, am Ende zwei gemacht. Dazwischen gab es auch noch Interviews, eines davon mit dem Studenten. Er erläuterte darin, wie er die Kamera in seiner Baseballkappe versteckt hatte, und dann sprach er noch ein wenig über seine persönliche Motivation, überhaupt durch diese Räume zu gehen. War er bei seiner Arbeit auf Schwierigkeiten gestoßen? Hatte man ihn durchsucht oder wenigstens gefragt, was er hier suche? Was genau habe er empfunden? Robert hatte überlegt, auch ein Standbild des jungen Mannes für ein Bild zu verwenden. Aber es wäre nicht besonders schwierig gewesen, die Farben, aus denen er bestand, waren alle recht simpel, und auch ihr Zusammenspiel war keine große Herausforderung, außer vielleicht das Hemd. Die Katze, die man auf Position 1 : 35 : 21 sah, war schon schwieriger. Und auch das Ding in ihrer Brust. Nicht besonders stark, aber immerhin.
Das Bild hatte ihm sogar was eingebracht. Landesförderpreis. Robert hatte es als Erstes Willi erzählt, und der hatte ihn am Telefon respektvoll ausgelacht, was Robert unendlich glücklich gemacht hatte. Erst dann hatte er es Cordula erzählt. Sie hatte ihn umarmt. Die Vergabezeremonie fand im Foyer einer Bank statt. Dienstagabend, neunzehn Uhr. Zuerst die Reden zweier älterer Herren.
Der erste Mann sprach von Verantwortung und Kunst, der zweite von Verantwortung und Gesellschaft. Er verwies außerdem auf die Verbrechen der Vergangenheit. Am Ende ging er noch ein wenig auf die Zukunft ein, die, wie er sagte, heute so zahlreich erschienen sei, nämlich in Form von Hoffnungsträgern, und trat dann von dem Pult, über das er sich während der Dauer seiner Rede ungewöhnlich weit gebeugt hatte, einen Schritt zurück, als gäbe er ihm die Gelegenheit, von dem langen gemeinsamen Ritt auszuruhen. Dann wurden die Preisträger der einzelnen Sparten aufgerufen und gingen auf die Bühne. Den Preis für das beste Bühnenbild bekam eine umwerfend schöne Frau, und Robert zwang sich, sie nicht ununterbrochen anzustarren.
Schließlich hielten alle ein Sektglas in der Hand, und auf einer Plakatwand neben dem Eingang der Bank wurde auf ein Flötenkonzert hingewiesen, das letzte Woche hier stattgefunden hatte. Der iBall am Eingang des Foyers blinzelte.
Hinter ihren heruntergeklappten Visieren aus Sicherheitsglas sahen die Bankschalter ernst und feierlich aus. Die diesjährigen Preisträger wurden zu Zweier- und Dreiergruppen zusammengestellt und von verschiedenen Seiten fotografiert. Ein Mann berührte Robert an der Schulter, um ihn ein wenig näher an seine Kollegen zu rücken, und Robert hätte ihm beinahe die Urkunde über den Kopf geschlagen.
Im Foyer der Bank hingen eine Menge schlechter abstrakter Gemälde, an denen sich Robert festhielt, um nicht in Panik zu geraten. Sie waren die eigentlichen Bewohner dieser Räumlichkeiten. Die ganze Nacht über hingen sie hier, unförmige Gebilde, die niemand wollte.
Er nippte ein paar Mal am Schaumwein, der nach verrückt gewordenen
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