Indigo (German Edition)
natürlich auch darauf, denn es gibt, na ja, es gibt selbstverständlich immer gewisse Tendenzen, gerade in diesem Alter …
6 Max
Es war kurz nach dem Staatsakt gewesen. So hatten sie das damals scherzhaft genannt. Ein Frühlingstag mit einer angenehm ungeduldigen Stimmung in den Bäumen und einem harten, kompromisslosen Wind am Morgen, der allerdings zu Mittag etwas versöhnlicher wurde, gerade rechtzeitig zum Besuch des Bundespräsidenten.
Die Sie alle hier ich freue mich ganz besonders heute so zahlreich im proximity awareness and learning Zenter werde ich immer gefragt was ich von der jungen wo Zukunft in der Tat heute schon stattfindet herzlich dem engagierten und geschätzten Dr. Otto Rudolph und also für die Menschen in Österreich in Zukunft die Möglichkeit bieten kann für ein besseres Verständnis auch für die Ränder der Gesellschaft insgesamt Sie begrüßen zu dürfen.
So ungefähr hatte Robert die Rede in Erinnerung. Ansonsten waren die bewegten Bilder, die er von dem Ereignis noch abrufen konnte, nicht besonders vielfältig. In ein paar Jahren würden sie vermutlich in Schwarzweiß ablaufen. Insgesamt hatte der Besuch nicht länger als eine Stunde gedauert. In der Mitte des Hofes stand der Präsident vor seinem Pult, begleitet von einigen Menschen, die sich, wie man an ihrer Körpersprache erkennen konnte, für unsichtbar hielten. Und dann gab es noch ein paar Journalisten, oder vielleicht gehörten die auch zum Haus, keine Ahnung. Die Schüler waren in einiger Entfernung platziert worden, in gleichen Abständen zueinander, was für Robert okay war, aber Leute wie Arno Golch oder Hubert Stöhger ins Schwitzen brachte.
Und dann dieses komische Bild: der Direktor vor dem Bundespräsidenten. Trotz der kühlen Temperaturen und des leichten Windes trug er keinen Mantel, nur sein übliches Jackett. Er sah so dick und glücklich vor dem Präsidenten aus, dass der Anblick Robert ganz nervös machte. Wie rot konnte ein Mensch wohl werden? Die Wände der Blutgefäße würden doch bestimmt irgendwann brüchig werden.
Am liebsten wäre er von dem ihm zugewiesenen Platz zu den beiden Männern gerannt und hätte sie geläutet , so wie man eine Glocke läutete. Bestimmte Menschen waren vielleicht einzig und allein auf der Welt, um geläutet zu werden.
Ein Papst zum Beispiel.
Die Soutane eines Papstes sah doch genauso aus wie eine Glocke, und die alternden Beinchen mit den weißen Altmännerflaumhaaren waren der Klöppel. Pummerin, dachte Robert. Silvesterfernsehen. Musikantenstadl, irrgewordene Fröhlichkeit, wie nach einer blutigen Schlacht, umherschweifende, blutverschmierte Menschen mit schiefsitzenden Helmen.
Ein Schlachtfeld voller blutiger Päpste. Robert fühlte einen übermütigen Stromstoß in seiner Brust, wenn er sich die dickbäuchige, ei-pralle Erscheinung des katholischen Kirchenoberhaupts ins Gedächtnis rief. Ein ans Kreuz genagelter Humpty Dumpty. Die segnenden Hände und die Gewänder. Wie ein Pinguin aus dem Albtraum eines schrillen Modedesigners. Ein Papst wird Pontifex genannt, dachte er, was laut Fernsehen Brückenbauer heißt, also beschäftigt er sich mit dem Bau von Brücken, und diese Brücken reichen dann irgendwann bis zu ihm heran, und man kann ihn hochheben, pralle, mit Altmännerkörper gefüllte Stoffglocke, und über die Brücke gehen lassen wie einen aufgezogenen Soldaten.
Ein Papst tritt immer alleine auf. Nie gibt es zwei von ihm.
Ein Papst übersetzt Rom und den ganzen Erdkreis zurück ins Lateinische.
Robert musste sich eine Hand vor den Mund halten.
Ein Papst holt, gemäß der katholischen Lehre, mit der Linken aus und hält die Rechte hin. Ein Papst wirft rote Wollknäuel auf die Hofkatzen von Vatikanstadt. Ein Papst klingt noch lange nach, nachdem er geläutet wurde in der tiefsten und stillsten Nacht des Jahres, Weihnachten, als das behinderte Jesuskind geboren wurdeund sofort ans Kreuz genagelt wird, noch bevor die Eltern um einen Rollstuhl ansuchen können.
Nicht losbrüllen!
Der Engel der Selbstbeherrschung trägt eine Bankräubersocke über dem Gesicht.
Ein Papst ist der vordere Teil einer Bienenkönigin, dachte Robert, die so groß wie ein U-Bahn-Waggon ist. Und diese Bienenkönigin verfügt über zwei schwarze Knopfaugen, die aus den Handflächen des Papstes schauen. Denn das, was wir Papst nennen, wird dem Hinterteil der Bienenkönigin (wo alles pumpt und pulsiert) nur übergestülpt, so wie das kegelförmige Weihnachtsengerl einer
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