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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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verzog das Gesicht und protestierte mit einem unwilligen Brummen. »Komm schon, Brandee, so genau wollen wir es gar nicht wissen. Ich esse.«
    »Da versucht man, uns einzutrichtern, keine Vorurteile zu haben«, fuhr Brandee unbeirrt fort, »aber schaut euch die Toiletten doch mal an. Ich möchte echt nicht wissen, wie es in der Küche aussieht.«
    Josh stöhnte. »Frau, kannst du einem auf den Geist gehen.«
    Brandee blitzte ihn mit kalten Augen an und wollte etwas sagen, als die Tür aufging und doch noch späte Gäste hereinkamen. Es waren Einheimische, zwei Jungen und ein Mädchen und ich erkannte sie sofort wieder. Ihre Gespräche verstummten, als sie uns sahen. Fast machte es den Eindruck, als wollten sie auf dem Absatz kehrtmachen, doch schließlich schob das Mädchen mit dem Mondgesicht die beiden Jungen zu den Vierertischen an der Fensterfront.
    Als sie an uns vorbeigingen, murmelte der Junge mit dem Reptiliengesicht und der Punkfrisur etwas Abfälliges in unsere Richtung und ich erschrak über den Ausdruck des Abscheus in seinen Augen. Er war untersetzt und kräftig und auf dem dunkelroten T-Shirt, das über seiner Brust spannte, stand in großen schwarzen Buchstaben: HOPE KILLS.
    Der andere Junge blickte zu Boden, sein langes Haar, das ihm diesmal offen über Brust und Rücken fiel, verdeckte sein Gesicht. Er trug löchrige Jeans und ein grünes T-Shirt, auf dem ein stilisiertes Tier abgedruckt war. Ein grinsendes Gesicht in Schwarz, Weiß und Rot, das nur aus Zähnen und einem fast menschlichen Auge zu bestehen schien. Dann war er vorbei.
    Ich schluckte beklommen, bekam das letzte Stück von meinem Lachs kaum noch herunter. Auf einmal fühlte ich mich derart unwillkommen, dass ich am liebsten aufgestanden und gegangen wäre. Was war bloß los mit den Einheimischen? Wieso bauten sie komfortable Unterkünfte mit Whirlpools für Touristen und eröffneten ein Restaurant, wenn sie im Grunde gar keine Fremden in La Push haben wollten? Ich hätte es gerne verstanden, aber wen sollte ich fragen?
    Die drei setzten sich in eine Fensternische und die schöne Tamra kam augenblicklich aus der Küche. Sie begrüßte die Neuankömmlinge und der Junge im grünen T-Shirt bekam eine halbe Umarmung. Dann nahm sie die Bestellung auf.
    Laura quittierte die Szene mit einem Kopfschütteln und einem Zischen. »Es geht doch«, sagte sie leise. »Wir haben einfach nur die falsche Hautfarbe.«
    »Ach komm«, sagte Mark versöhnlich, »du bist schließlich nicht verhungert.«
    »Ich finde es trotzdem blöd.«
    Die drei Einheimischen saßen in meiner Blickrichtung, aber es dauerte einen Moment, ehe ich begriff, dass ihre heftige Diskussion uns galt. Plötzlich lag das Drohen eines Krieges in der Luft. Die Blicke der beiden Jungen funkelten wütend und Tamra schien Beschwörungsformeln zu sprechen, damit sie nicht aufsprangen und auf uns losgingen. Ab und zu schnappte ich Wortfetzen auf, doch ich verstand nichts, denn sie unterhielten sich in einer merkwürdig klingenden Sprache. Vermutlich Quileute. Mit Sicherheit sollten wir nicht verstehen, was sie sagten.
    Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich richtig fremd, abgelehnt aus Gründen, die ich nicht kannte. Obwohl ich versuchte, es gerade nicht zu tun, musste ich immer wieder zu dem Tisch hinübersehen. Der Blick des Jungen mit dem grünen Shirt fiel auf mich und sein Gesicht wurde hart. Es sprach eine tiefe Verachtung daraus. Ich sah nicht weg, ich hielt den Blick aus, denn ich hatte nichts getan, das diese Verachtung verdiente.
    Gereizt rief Alec nach Tamra und verlangte nach der Rechnung. Brandee schien kurz vorm Ausflippen zu sein, aber Tamra kam noch rechtzeitig, bevor sie im Restaurant eine Szene machte. Jeder zahlte sein Essen. Als Brandee an der Reihe war, sagte sie: »Wenn die Toiletten sauber sind und die Bedienung sich ein bisschen mehr beeilt, gibt’s das nächste Mal vielleicht auch ein Trinkgeld.«
    Die Indianerin zuckte nur mit den Achseln und gab ihr auf den Cent heraus. »Schönen Abend noch«, sagte Tamra.
    »Den werden wir haben«, meinte Josh. »Sobald wir hier zur Tür raus sind.«
    Draußen war es immer noch nicht richtig dunkel. Schon am ersten Abend hatte ich festgestellt, dass die Dämmerung hier oben am Pazifik ungewöhnlich lang war.
    Motten umflatterten die Lampen vor dem Restaurant. Die beiden hölzernen Türwächter mit den starren Augen sahen jetzt noch unheimlicher aus als bei Tageslicht, aber das schien nur mir aufzufallen. Ich hörte ein

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