Indigosommer
benehmen.«
»Anders lernen sie es aber nicht«, mauerte Brandee. »Wenn wir dem Gesundheitsamt einen Tipp geben, müssen sie die Bude dichtmachen.«
»Nun mach mal halblang«, sagte Josh genervt.
»Also ich fand, sie haben sich wie arrogante Arschlöcher benommen«, warf Laura ein.
»Das fand ich allerdings auch«, meinte Alec.
»Die wünschen sich nichts anderes, als dass wir wieder von ihrem Strand verschwinden.« Mark legte ein Stück Schwemm-holz ins Feuer und Funken stiebten in den Nachthimmel.
»Warum eigentlich?«, fragte ich, in der Hoffnung, von Mark eine einleuchtendere Antwort zu bekommen als von Josh.
»Die haben keine guten Erfahrungen mit uns gemacht«, sagte er.
Ich merkte, wie Josh und Alec die Köpfe hoben und Mark überrascht ansahen.
»Er meint, wir Weißen haben ihnen ihr Land weggenommen.« Alec steckte eine leere Bierdose in den Sand. »Und das nehmen sie uns heute noch übel. Vielleicht glauben sie, dass wir ihnen etwas schulden.«
»Mir kommen die Tränen«, sagte Josh mit weinerlicher Mädchenstimme. »Hey Leute, das ist Geschichte. Ich habe keinen Bock, mich für etwas schuldig zu fühlen, das hundert Jahre her ist. Heutzutage kriegen die Indianer doch alles vorne und hinten reingesteckt«, entrüstete er sich, wobei er das Wort Indianer so aussprach, als handele es sich um eine Krankheit. »Stipendien für ihre Studenten, Entwicklungshilfen, Steuervergünstigungen, das ganze Programm. Die müssen ja glauben, sie wären was Besonderes, und deshalb benehmen sie sich auch so überheblich.«
»Wie wollen sie denn nun eigentlich genannt werden?«, fragte ich. »Indianer oder Native Americans – eingeborene Amerikaner?«
»Ach«, Josh winkte ab, »kein Mensch quatscht solchen Schwachsinn. Außer irgendwelche Soziologen vielleicht, die meinen, sie müssten politisch korrekt sein.«
»Sie sind Quileute«, wandte Mark sich an mich. »Ich denke, sie möchten Quileute genannt werden.«
»Dabei verknotet man sich ja die Zunge«, sagte Laura und versuchte, das Wort auszusprechen. »Kwil-lejute.«
Die anderen lachten und versuchten sich ebenfalls an diesem Zungenbrecher. Ohne dass mir aufgefallen war, wer ihn gedreht und angezündet hatte, machte ein Joint die Runde. Es roch auf einmal wie ein verbranntes Hanffeld. Das rote Feuerauge der Zigarette glühte auf, als Brandee den Rauch genussvoll in die Lunge sog und lange inhalierte.
Schließlich wanderte der Joint über Janice und Laura an mich weiter, aber ich lehnte dankend ab.
»Es ist bloß Gras, Smilla«, meinte Josh. »Das bringt dich nicht um. Macht allenfalls ein bisschen Party im Kopf. Meistens merkst du beim ersten Mal gar nichts.«
Beim ersten Mal?
Brandee kicherte und ich kam mir vor wie ein rotznasiges Kleinkind. War das Rauchen eines Joints eine Art Initiationsritus, um dazuzugehören? Ich nahm einen Zug, musste unwillkürlich husten und reichte den Joint an Mark weiter. Josh grinste mir zu. Aber als ein neuer Joint auftauchte, gab ich ihn einfach weiter und niemand störte sich daran. Auch Janice schien genug zu haben, während Brandee immer zweimal zog.
Ich beobachtete die anderen und wartete darauf, dass ich etwas spürte, dass die Party im Kopf begann. Aber außer, dass Mark noch stiller und alle anderen furchtbar albern wurden, passierte gar nichts.
Mark zog eine Mundharmonika hervor und spielte eine leise Melodie. Die lang gezogenen vibrierenden Töne mischten sich mit dem Rauschen der Brandung. Als ich später in meinem Schlafsack lag, kam es mir so vor, als würde ich sanft auf den Wellen treiben, und noch lange hörte ich den zitternden Mundharmonikablues, obwohl ich wusste, dass auch Mark längst schlafen gegangen war.
Conrad ballt die Hände zu Fäusten, Wut trübt seine Sicht. Er schließt die Augen und schlägt immer wieder mit der Stirn gegen den nachtkalten Ast der Wurzel. Er will jemandem wehtun, etwas zerstören, seine Wut auslassen.
Tamra hat ihn davon abgehalten, sich im »River’s Edge« mit den Surfern anzulegen. Es hat ihn große Überwindung gekostet. Aber die Tatsache, dass es dem Restaurant geschadet hätte und Tamra diesen Job braucht, hat schließlich den Ausschlag gegeben, seine Wut im Zaum zu halten.
Er hat Tamra nach Hause gebracht, doch geblieben ist er nicht. Jetzt steht er hinter der großen nackten Wurzel im Dunkeln, hört jedes Wort, das die Eindringlinge sagen, und was er hört, macht ihn noch wütender. Sie glauben, alles zu wissen, dabei wissen sie gar nichts. Niemand in La Push
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