Indigosommer
auch nicht teuer.«
Es war schnell beschlossene Sache, dass wir am Abend alle zusammen ins »River’s Edge« gehen würden. Deshalb gab es mittags auch bloß ein paar abgepackte Sandwichs und Chips.
Nach Alecs Gezeitenkalender würde die Flut gegen halb sechs ihren Höchststand erreicht haben. Bis dahin vertrieben wir uns die Zeit mit Frisbee, Badminton, lesen, Karten spielen und herumdösen. Chillen, wie Josh es nannte.
Gegen vier wurden die Jungs unruhig. Tatsächlich spuckte das Meer jetzt Wellen aus, richtige Wellen, die mit Schaumkronen brachen.
»Na los, Leute«, sagte Josh und nickte mit dem Kopf zum Meer hin, »die Flut kommt und der Swell ist ganz passabel. Lasst uns ein paar Wellen fangen. Wird höchste Zeit, oder?«
Die Blicke gingen zum Meer und auf einmal herrschte aufgeregte Betriebsamkeit. Einer nach dem anderen stiegen sie in ihre Neoprenanzüge, klemmten sich die Surfbretter unter den Arm und liefen hinunter zum Strand. Die engen schwarzen Surfanzüge brachten die muskulösen Körper der Jungen und die sportlichen Kurven der Mädchen erst so richtig zur Geltung. Brandees Beine schienen noch ein ganzes Stück länger geworden zu sein, als sie mit ihrem Brett zum Wasser stolzierte.
»Was ist mit dir?«, fragte mich Janice.
»Ich schaue euch erst einmal zu.«
Sie nickte und lief den anderen hinterher. Ich holte meine Kamera und ging runter zum Strand.
Mark hatte schon vorher eine ganze Weile am Strand gesessen und die Wellen beobachtet. Nun war er als Erster im Wasser. Er zog sein buntes Brett vor die Brust und warf sich nach vorne. Mit kräftigen Paddelzügen kämpfte er sich durch die weiß schäumende Brandung und war mit schnellen, langen Zügen auf der ersten Welle. Ehe ich mich versah, stand er auf seinem Brett und ritt aufrecht bis zum Strand.
Fasziniert schaute ich zu, wie jetzt auch die anderen mit ihren Brettern hinter die Brandungslinie paddelten und dort quer zu den Wellen im Wasser dümpelten, immer in der Erwartung auf den richtigen Moment. Wenn er kam, waren sie von einer Sekunde zur anderen auf ihrem Brett und schnellten über das Wasser.
Unermüdlich wiederholten sie dieses Spiel und es sah so aus, als hätten sie eine Menge Spaß in der Brandung. Wenn ich ehrlich war, beneidete ich sie darum.
Du kannst es lernen, sagte eine Stimme in mir. Es ist gefähr lich , warnte eine andere. Versuch’s einfach...Du wirst dich blamieren . . .
Irgendwann kam Josh mit seinem Brett aus dem Wasser und schüttelte lachend seine nassen Locken. Klick, klick, klick . Ich hatte den Finger auf dem Auslöser.
»He, das macht fünf Dollar das Foto«, sagte er mit erhobenem Zeigefinger und setzte sich neben mich. »Na, was sagst du?« Er löste den Klettverschluss der Fangleine von seinem Knöchel und legte ihn auf sein Brett.
»Scheint ja wirklich Spaß zu machen.«
»Womit du verdammt recht hast.« Er grinste fröhlich.
»Hast du gar keine Angst?«, fragte ich.
»Nee. Die Wellen sind viel zu klein, um vor ihnen Angst zu haben.«
»Das ist vermutlich Ansichtssache«, bemerkte ich mit skeptischem Blick auf die über einen Meter fünfzig hohen Wellen.
Josh lachte, dass seine weißen Zähne in der Abendsonne blitzten. »Trotzdem schön, dass du mitgekommen bist, Smilla«, sagte er und gab mir einen freundschaftlichen Stups unter das Kinn.
Ich spürte, wie ich rot anlief, und sah auf das funkelnde Meer hinaus. »Ja«, sagte ich. »Ich bin auch froh, hier zu sein.«
»Wirst du es versuchen?«, fragte Josh. »Ich helfe dir auch.«
»Glaub schon. Morgen, okay?«
»Klar.« Josh schnappte sich sein Brett und lief zurück ins Meer. Noch eine ganze Weile saß ich da und sah ihnen zu, wie sie unermüdlich auf den Wellen ritten. Da sie mit ihren schwarzen Surfanzügen aussahen wie Seehunde, bemerkte ich die Robbe zuerst gar nicht, die sich unter die Clique gemischt hatte. Aber dann winkte mir Josh aufgeregt zu und deutete auf den schwarzen Tierkopf.
Das war unglaublich. Die Robbe zeigte keine Scheu vor den Surfern. Im Gegenteil, es sah so aus, als würde auch sie auf den Wellen reiten, was ihr großes Vergnügen zu bereiten schien. Das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich es tun würde. Mit einer Robbe im Ozean Wellen reiten, das konnte ich mir nicht entgehen lassen.
»Morgen«, flüsterte ich. »Morgen will ich es versuchen.«
6. Kapitel
N ach dem Surfen gingen alle duschen, um sich das Salzwasser von der Haut und aus den Haaren zu spülen. Währenddessen schrieb ich einen langen Brief
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