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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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loswerden konnte.
    Als wir nach ungefähr einer halben Stunde aus dem Wald traten, war unser Lager nicht mehr weit. Ich blieb stehen und sagte: »Kannst du hier einen Moment auf mich warten? Ich ziehe mich nur schnell um und dann bringe ich dir dein T-Shirt, okay?«
    Conrad übergab mir das Brett. »Willst du nicht mit einem Eingeborenen gesehen werden?«, fragte er ohne eine Regung im Gesicht.
    »Stimmt«, sagte ich, »ich will nicht mit dir gesehen werden. Aber nicht, weil du bist, wer du bist, sondern weil ich dann erzählen müsste, was passiert ist und dann würde der Wikingertyp mich die restlichen Tage wie ein Kleinkind bewachen.«
    Conrad lächelte und dieses Lächeln schien ihn genauso zu überraschen wie mich. Seine Zähne blitzten in der Sonne. Die beiden Eckzähne standen in einem seltsamen Winkel zu den übrigen Zähnen, sodass sein Lächeln ein wenig an ein Wolfslächeln erinnerte.
    Augenblicklich kam mir die Legende, dass die Vorfahren der Quileute-Indianer sich in Wölfe verwandeln konnten, in den Sinn und ich dachte, dass ja vielleicht etwas dran war. Ein Schauer rann über meinen Rücken.
    »Das mit dem T-Shirt eilt nicht«, sagte Conrad. Er wies auf mein Brett. »Und du brauchst eine neue Leine, bevor du wieder damit ins Wasser steigst.«
    »Ja, klar«, sagte ich gerührt. Offenbar war er der Meinung, dass ich das Surfen nicht aufgeben würde.
    Conrad wandte sich zum Gehen.
    »Eines hätte ich doch gerne noch gewusst«, sagte ich.
    Er drehte sich zu mir um. »Und das wäre?«
    »Wieso bist du auf einmal so nett zu mir? Bin ich eine andere geworden?«
    Conrad sah mich eine Weile nachdenklich an und ließ sich diesmal nicht von meinen Augen irritieren. Schließlich sagte er: »Niemand steigt aus dem Ozean, wie er hineingegangen ist. Und bei dir hat eine ziemlich eindrückliche Verwandlung stattgefunden.« Er pfiff leise nach Boone, drehte sich um und ging zurück in den Wald.

10. Kapitel
    E rleichtert stellte ich fest, dass die anderen noch nicht aus Forks zurückgekehrt waren. Laura kam gerade aus ihrem Zelt gekrochen und erwischte mich dabei, wie ich meinen Neoprenanzug zum Trocknen über einen Treibholzstamm legte. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah mich mit ihren grauen Augen fragend an. »Erzähl mir nicht, dass du surfen warst.«
    »Ich habe ein bisschen geübt«, sagte ich.
    »Ganz alleine? Spinnst du?« Die Sommersprossen auf Lauras Gesicht tanzten ärgerlich.
    »Ich bin nach vorne gegangen, da waren Leute. Außerdem war ich immer nah am Ufer und die Wellen sind klein.« Am First Beach waren die Wellen tatsächlich klein.
    »Tsss.« Laura stieß Luft durch die Zähne und sah mich kopfschüttelnd an. »Du bist vielleicht ’ne Nummer, Smilla. Ich hätte nie gedacht, dass Surfen dich so anmacht.«
    »Ich auch nicht.« Ich lächelte sie verschwörerisch an und schließlich schmunzelte auch Laura.
    Sie streckte den Zeigefinger aus und pikste auf den Wolf. »Und wo hast du das T-Shirt her?«
    Ich sah an mir herunter, als wüsste ich nicht, was ich anhatte. »Aus dem Laden oben in der Rezeption«, log ich. »Ich hab’s gekauft, als ich mit Janice unterwegs war.«
    »Gab’s das auch in deiner Größe?«
    »Nö, leider nicht. Aber ich will es sowieso als Nachthemd benutzen.«
    Laura schüttelte amüsiert den Kopf. »Na gut«, sagte sie, »ich gehe jetzt duschen. Die anderen kommen sicher bald zurück.«
    »Laura?«
    »Ja?«
    »Es wäre cool, wenn du niemandem davon erzählst. Alec wird sicher wütend, wenn er es weiß.«
    »Schon klar«, sagte sie. »Kein Problem.«
    Kaum, dass die Truppe aus Forks zurückgekommen war, hallte wieder Joshs nervige Beachmusik über den Strand. Die Wasserkanister und die Kühlboxen mit den Lebensmitteln wurden im Schatten verstaut, das Bier in den Zelten versteckt. Schließlich war keiner von uns einundzwanzig und es konnte jederzeit passieren, dass Chief Howe uns unerwartet einen Besuch abstattete.
    Am Nachmittag füllten sich die Ferienhütten, der Stellplatz für die Campingbusse und der Strand. Es war Freitag, Wochenende. Die Städter strömten in die Natur, um ihre Grillöfen anzuwerfen. Wir bekamen Nachbarn am Strand, eine Truppe aus Portland mit drei Zelten und Surfbrettern. Es waren drei Pärchen im selben Alter wie Alec und seine Freunde und sie waren, wie sich herausstellte, zum ersten Mal am First Beach.
    Alec erzählte ihnen als Erstes, was mit seinem und Joshs Wagen passiert war, und riet ihnen, in ihren Autos lieber keine Wertsachen zu

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