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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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einer dunklen Stelle tief drinnen. Das bringt ihn noch mehr durcheinander. Das Mädchen hat etwas in ihm ausgelöst. Etwas völlig Unerwartetes. Wo monatelang all der Hass in ihm saß, spürt er plötzlich nichts mehr, nur eine Leere, die ihn wanken lässt. Er stützt sich an der Wurzel ab, um Halt zu finden. Sein Hass hat ihn aufrecht gehalten, hat ihn angetrieben, hat ihn morgens aufstehen lassen.
    Auf einmal hat Conrad das Gefühl, keine Knochen mehr im Leib zu haben. Ihm wird plötzlich klar, dass er etwas vergessen hat. Er hat vergessen, dass er es ist, der lebt. Er hat sich hinter Justins Tod verschanzt, hat sich vergraben in seiner dunklen Höhle aus Hass. Hat sich vor sich selbst versteckt.
    Conrad spürt, wie die Leere in seinem Inneren sich langsam füllt. Mit so vielen überwältigenden Empfindungen, die er seit Justins Tod nicht mehr zugelassen hat: Trauer, Sehnsucht, Neugier, Verlangen. Und je mehr er sich dagegen wehrt, umso heftiger wird das Gefühl, dass das Leben zu ihm zurückkommt. Es strömt herein wie die Flut nach der Zeit der Ebbe.
    Der Samstagmorgen brachte Wellen, die sich auf einer Länge von über fünfzig Metern brachen. Mark hatte alle geweckt, doch zuvor war Janice in unser Zelt zurückgekommen. Ich lächelte verschlafen und sie sagte: »Behalte es für dich, okay?«
    »Klar«, murmelte ich.
    Es gab kein Frühstück, das musste diesmal warten, bis die morgendliche Surfsession beendet war. Alec hatte tatsächlich eine Ersatzleine für mein Boogieboard dabei und Josh brachte sie an.
    Das Wasser war so bevölkert wie noch nie. Da waren nicht nur die sechs aus Portland, auch vom Campingplatz am Supermarkt waren vier Surfer gekommen. Ich ging auch ins Wasser, hörte aber nach drei Bauchritten auf dem Brett auf. Es war mir zu überfüllt. Ich hatte Angst, irgendjemandem in die Quere zu kommen. Immer nur ein Surfer pro Welle, lautete eine Regel. Und seit meinem gestrigen Tauchgang hielt ich es für klüger, mich an die Regeln zu halten.
    Den Rest des Tages trödelten wieder alle am Strand herum und ich spürte, wie ich anfing, unruhig zu werden. Keinen aus der Clique schien zu interessieren, was es außer den Wellen am First Beach in der Gegend noch zu entdecken gab. Als ich Alec nach Rialto Beach fragte, meinte er, dort würde es auch nicht anders aussehen als hier. »Überall Felsen, Schwemmholz und Meer. Nur, dass dort viel mehr Leute sind, Midget.«
    Vermutlich hatten er, Josh und Mark im vergangenen Sommer die anderen Strände auf Surftauglichkeit abgecheckt und waren am Ende zu dem Schluss gekommen, dass First Beach der einzig lohnende Surfspot in der Gegend war. Pech für mich. Ich hätte gerne die Gegend erkundet. Aber niemand hatte Lust, mich zu begleiten, und alleine losziehen, das würde Alec, the man with the plan, mir mit Sicherheit nicht erlauben. Gelegentlich führte er sich mir gegenüber auf wie ein Gruppenleiter im Ferienlager.
    Mir blieb also nichts anderes übrig, als mich mit meinem Kamerahandbuch zu beschäftigen und die neu erworbenen Kenntnisse praktisch auszutesten. Am Nachmittag machte ich einen meiner Strandspaziergänge. Er führte mich bis zu den Basaltklippen links vom Strand, wo es eine Stelle gab, an der man ein Stück hinaufklettern konnte bis auf einen kleinen Felsvorsprung. Ich hatte zwar leichte Höhenangst, aber der Vorsprung war groß und es ging auch nur etwa vier Meter tief nach unten – damit konnte ich umgehen.
    Ich saß gerne dort auf dem Felsen, denn von dieser Stelle aus hatte man einen guten Blick über die gesamte Biegung des Strandes bis hin zu James Island und der benachbarten kleineren Insel.
    Von hier oben konnte ich sehen, wie riesig die gewaltigen Baumskelette wirklich waren, die vergangene Stürme auf den Strand geworfen hatten. Die größten mussten mehr als hundert Meter lang sein und mehrere Tonnen schwer. Die von Wellen und Sand glatt geschliffenen Treibholzrippen leuchteten bleich wie Knochen in der Julisonne.
    Der Ozean davor schien jeden Tag eine andere Farbe zu haben, die man nur wahrnahm, wenn man stillsaß. Mal war er granitgrau, mal smaragdgrün. Weiter draußen leuchtete das Meer indigoblau und es gab Zeiten, da hatte es die Farbe einer verwaschenen Jeans. Dazu kam der ständige Wechsel des Lichts.
    Ich versuchte, die Farben mit der Kamera einzufangen, merkte aber, dass es mir nicht gelang. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht so einfach auf einen Chip brennen.
    Manchmal lagen feine Gischtnebel über dem wechselnden Muster der

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