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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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stieg er in ein Paar zerschlissene Levis.
    Mein Gott, dachte ich erschrocken, was, wenn Laura inzwischen bemerkt hatte, dass mein Surfbrett verschwunden war? Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, seit ich zu meinem kleinen Seeabenteuer aufgebrochen war.
    »Wie weit ist das denn?«, fragte ich zähneklappernd. Mein Surfanzug war kalt, nass und sandig und ich bekam meine Gänsehaut nicht mehr los.
    »Eine halbe, Dreiviertelstunde. Kommt darauf an, wie schnell du läufst.«
    »Okay.« Ich fühlte mich schrecklich kraftlos, aber irgendwie musste ich ja wieder zurück ins Camp kommen. Also griff ich nach dem Surfbrett, das neben mir im Sand lag. Ich sah, dass die Fangleine gerissen war.
    »Das trage ich«, sagte Conrad. »Und willst du nicht dieses nasse Ding ausziehen?« Er deutete auf meinen Surfanzug. »Du hast den Anzug übrigens verkehrt herum an.«
    »Ich weiß, aber...« Blieb mir denn heute gar nichts erspart?
    »Zieh ihn aus, okay? Hier«, er reichte mir sein T-Shirt.
    Zähneknirschend sah ich ein, dass er recht hatte. Ich würde mir den Tod holen in dem feuchten, eng anliegenden Surfanzug. Und wenn er während des Marsches trocken wurde, würde ich mir an den empfindlichen Stellen die Haut wund scheuern. Trotzdem zögerte ich noch.
    »Ich beiße nicht«, sagte Conrad.
    Schade, dachte ich. Ich nahm das T-Shirt und stand auf. Dabei spürte ich wieder das Stechen im Brustkorb und krümmte mich zusammen.
    Conrad warf mir einen besorgten Blick zu. »Tut es schlimm weh? Ich hoffe, ich habe dir keine Rippe gebrochen. Aber irgendwie musste das Wasser aus deinen Lungen.«
    »Geht schon.« Ich drehte mich von ihm weg und schälte mich aus der schwarzen Haut. Schnell zog ich das T-Shirt über. Es hatte auf einem Stein in der Sonne gelegen und war angenehm trocken und warm. Und es reichte mir fast bis zu den Knien. Das stilisierte Tiergesicht auf der Vorderseite bleckte seine Zähne.
    »Was ist das«, fragte ich. »Ein Bär?«
    »Ein Wolf«, sagte er.
    Klar. Ich rieb mir den Sand von den Füßen und schlüpfte in meine Gummischuhe. Conrad setzte sich und zog seine Turnschuhe an. Er packte sein Buch in eine Umhängetasche, schnappte sich das Surfbrett, pfiff nach Boone und lief los.
    Ich hob meinen sandigen Surfanzug auf und stolperte ihm hinterher. Anfangs war immer noch das Stechen in meiner Brust, aber mit jedem Schritt wurde das Atmen leichter.
    Mein Retter hatte einen lockeren Gang und trug mein Boogie mit der Leichtigkeit eines versierten Surfers. Er hatte breite Schultern, schmale Hüften und lange, gerade Beine, aber er war nicht groß, höchstens eins fünfundsiebzig. Was für mich trotzdem groß war. Seine langen Haare lagen feucht und schwer auf seinem dunklen Rücken und wie gerne hätte ich die Hand ausgestreckt, um sie zu berühren. Ich spürte das vertraute Kribbeln in den Fingerspitzen.
    Weil ich träumte, stolperte ich über eine Wurzel. Ich konnte den Sturz gerade noch abfangen und versuchte, auf den Weg zu achten. Wir liefen einen Pfad, der gesäumt war von windzerzausten Büschen und kleinen verkrüppelten Nadelbäumen. Eine feine Salzkruste lag wie Raureif auf den Blättern, Nadeln und Farnen. Ich ließ die Finger darüberstreifen und leckte an meinen Fingerkuppen.
    Schließlich führte der gewundene Pfad ins Landesinnere, in einen Wald aus hohen Bäumen. Als ich zwischen die Stämme trat, hatte ich das Gefühl, als würde ich vom Wald verschluckt. Es war dunkel und kühl und die Luft duftete würzig. Von den Zweigen der Bäume hingen lange Bartflechten. Ich kam mir vor wie ein Winzling im Land der Riesen.
    Erst jetzt, wo ich Zeit zum Nachdenken hatte, wurde mir bewusst, wie knapp ich dem sicheren Tod entronnen war. Wäre Conrad nicht da gewesen... Tränen schossen in meine Augen und ich wischte sie weg. Was zum Teufel hatte er dort eigentlich gemacht? Gelesen? So weit weg von La Push?
    Er war da gewesen, das allein zählte. Eine Woge der Dankbarkeit für diesen Jungen überkam mich. Es war ein merkwürdiges Gefühl, jemandem sein Leben zu verdanken. Jetzt war der Indianer kein Fremder mehr. Ich kannte seinen Namen. Ich trug sein T-Shirt, das nach Sonne und Steinen und ein bisschen nach seinem Schweiß roch. Conrads Atem war in meinen Lungen gewesen. Er hatte seine Lippen auf meine gepresst...
    Ich schluckte. Sei einfach mal realistisch, Smilla. Während mir solche aufregenden Dinge durch den Kopf gingen, dachte Conrad vermutlich nur daran, wie er mich so schnell wie möglich wieder

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