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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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und bemühte mich um ein freundliches Gesicht.
    »Hallo Smilla. Schon auf dem Weg?«
    »Ja. Conrad will mich um acht auf dem Parkplatz abholen.«
    »Na dann, viel Spaß. Und sei vorsichtig.«
    »Fängst du jetzt auch noch damit an?«, fragte ich gereizt. »Denkst du etwa auch, Conrad will mir was tun?«
    Janice zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht. Sei einfach vorsichtig. Alec hat recht: Conrad und seine Freunde verachten uns. Ich will nur nicht, dass du böse aus deinen Träumen erwachst. Vielleicht mag der Indianer dich ja wirklich, Smilla. Kann aber auch sein, da läuft irgend so ein Ding.«
    Langsam ging mir Janice’ gönnerhafte Art auf die Nerven. »Was für ein Ding?« Ich war schon an ihr vorbei, aber jetzt blieb ich stehen und sah sie fragend an.
    »Eine Wette vielleicht. Dass er dich rumkriegt, mit ihm zu schlafen.«
    »Warum sollte er das tun?«, fragte ich mit belegter Stimme.
    »Keine Ahnung, aber Alec kennt deinen Conrad vom letzten Jahr. Irgendetwas war da, er macht sich nicht umsonst Sorgen um dich.«
    »Wenn da was wäre, hätte Conrad es mir erzählt.«
    »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht«, sagte Janice. »Kann ja sein, er hat etwas zu verbergen.«
    Ich muss ein bedrücktes Gesicht gemacht haben, denn sie streckte die Hand aus und berührte mich am Arm. »He, ich wollte dir deinen Tag nicht verderben.«
    Hast du aber, dachte ich in einem Anfall von Selbstmitleid . »Das kannst du gar nicht«, erwiderte ich. »Bis später, Janice.« Ich drehte mich um und lief weiter.
    Conrad holte mich mit seinem Pickup auf dem Parkplatz ab. Boone saß auf der Ladefläche, sprang aber vom Auto, als ich einstieg.
    »Er denkt, ich fahre in die Stadt«, sagte Conrad. »Da kommt er nicht gerne mit.« Er sah mich an und ich hoffte, er würde mir gleich ein nettes Kompliment machen, das vielleicht meine Stimmung aufgeheitert hätte. Stattdessen beugte er sich herüber und küsste mich.
    Wir fuhren nicht weit, nur ein paar Meilen bis zum übernächsten Parkplatz, von dem aus ein Wanderpfad zum Third Beach führte. Conrad schulterte seinen roten Rucksack und ich meinen kleinen. Ich hatte meine Regenjacke darin und eine Wasserflasche. Die Kamera hing um meinen Hals. Conrad nahm mich an der Hand und zog mich ins feuchtgrüne Dunkel des Waldes.
    Mein Quileute-Freund wanderte nicht, er eilte. Mit großen Schritten lief Conrad voran und zog mich hinter sich her. Es dauerte eine Weile, aber dann gewöhnte ich mich an seine schnelle Gangart und es gelang mir mitzuhalten, obwohl ich jedes Mal zwei Schritte machen musste, wenn er einen machte.
    Manchmal war der Pfad morastig, dann mussten wir ins Gebüsch ausweichen und neue Wege gehen. Tierpfade mit geheimnisvollen Spuren. Einige Male befreite mich Conrad vorsichtig von Brombeerranken, die sich in meinen Kleidern verhakt hatten. Hin und wieder blieb er auch einfach nur stehen, um mich zu küssen.
    Ich wünschte, ich wäre Janice nicht begegnet am Morgen, dann hätte ich jetzt nicht dauernd ihre blöde Andeutung von der Wette im Kopf.
    Traute ich Conrad so etwas zu? Nein, natürlich nicht. Und warum nicht? Weil ich Smilla war, weil ich verliebt war, weil alles so traumhaft schön war, dass Gemeinheiten keinen Platz hatten.
    Einmal begegnete uns jemand, es war ein gut ausgerüstetes Pärchen mittleren Alters mit großen Kraxen auf dem Rücken, das freundlich grüßte. Dann kam niemand mehr.
    Der schwere Geruch von moderndem Holz und Laub lag in der Luft. Ich spürte Dinge im Wald, die ich nicht verstand. Aber ich nahm das hin und fragte nicht. Der Küstenwald war dunkel, weil die hohen Bäume mit den langen Flechten an den Zweigen das Sonnenlicht aussperrten. Die Bäume, die uns umgaben wie Riesen, schienen unsere Stimmen zu verschlucken wie neulich der Nebel.
    Überall wuchsen große Farne und Sträucher, die ihre grünfingrigen Blätter nach uns ausstreckten. Vor einigen Pflanzen blieb Conrad stehen, um mir ein paar Namen hinzuwerfen: Großblättriger Ahorn. Salalbusch. Hirschfarn. Salmonbeere. Klick, klick, klick, machte meine Kamera.
    Die Lachsbeeren, deren Zweige mannshoch wuchsen, sahen aus wie Fischrogen. Je nach Reifegrad waren sie orange bis dunkelrot. Conrad pflückte ein paar der roten Beeren und schüttete sie mir in die hohle Hand. Ich sah die grünen Schatten der Lachsbeerenblätter auf seinem Lächeln und dieses Bild würde ich immer in meinem Gedächtnis bewahren.
    Die Beeren schmeckten herbsüß und fruchtig und ich pflückte mir noch ein paar in den

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