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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Mund. Dann setzten wir unsere Wanderung fort, bis wir den Abstieg zum Third Beach erreicht hatten. Das grelle Licht des Himmels blendete mich, als wir am Waldrand standen. Unter uns rauschten milchige Brecher gegen den Strand. Aus dem graugrünen Wasser ragten steile Felseninseln wie schwarze Zähne. Die weißen Flecken einer Möwenschar tupften den sandigen Strand.
    Conrad stieg vor mir den schmalen Pfad zum Ufer hinab und seine Hand hielt mich, wenn es steinig und steil wurde. Es war ein kurzer Abstieg, schon bald standen wir an der Wasserlinie.
    »Hier ist es wunderschön«, sagte ich überwältigt und streifte endlich meine letzten Zweifel ab.
    »Ja, aber wir sind noch nicht da.«
    Hand in Hand liefen wir die Gezeitenlinie entlang. Nach ungefähr zwei Kilometern standen wir am Ende des Strandes. Ein mit verkrüppelten Tannen bewachsener Granitfelsen ragte weit ins Meer hinein.
    Conrad ging zielstrebig auf diesen Felsen zu und dann sah ich die Leiter, die hinaufführte, die vom Salz ausgeblichenen Seile, die zum Festhalten gedacht waren.
    »Du zuerst.«
    Ich wusste ja nun, dass ich es konnte, und kletterte voran. Conrad war ganz dicht hinter mir, noch dichter als beim letzten Mal. »Das ist Taylor Point«, sagte er, als wir oben standen.
    Aber das war noch immer nicht unser Ziel. An der anderen Seite des Felsens ging es wieder in die Tiefe, hinunter an einen kleinen Strand mit feinem hellem Sand.
    »Hidden Beach.« Conrad lächelte zufrieden. »Da wollen wir hin. Dort unten sind wir ganz allein.«
    Unten am windgeschützten Strand war es warm, wärmer noch als am First Beach. Conrad holte eine große Decke aus seinem Rucksack und breitete sie aus. Ich hatte müde Beine, aber als ich mich auf der Decke niederlassen wollte, meinte er: »Später, okay? Wenn die Flut erst da ist, sind die Gezeitentümpel verschwunden.«
    Ich liebte Gezeitentümpel, diese kleinen Wasserbecken, die so voller Farben und Leben waren. Wir sprangen über die Felsen, die mit grünem und braunem Seetang bewachsen waren. Knieten über den Gezeitentümpeln und scheuchten Einsiedlerkrebse und Krabben auf. Ich sah räuberische Seeanemonen, schwarzblaue Miesmuscheln, Lochschnecken und messerscharfe Entenmuscheln. Die schwarzen Stacheln der Seeigel lugten unter den Steinen hervor. Kleine gepunktete Fische huschten im glasklaren Wasser umher.
    »Gibt es hier eigentlich Haie?«, fragte ich Conrad.
    »Da drin?« Er wies auf den Tümpel.
    Ich verdrehte die Augen. »Nein, da draußen.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Ja, gelegentlich.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Ja. Aber keine Angst, der letzte Hai hat sich vor zwei Jahren an unsere Küste verirrt. Das Wasser ist zu kalt für sie.« Conrad löste einen orangefarbenen Seestern von einem Stein und legte ihn auf meine Hand. Er sah aus, als wäre er weich und eklig, aber das war er nicht. Sein Körper war fest und er hatte Hunderte winzige Füßchen auf der Unterseite. Ich betastete den Seestern mit den Fingerkuppen, bevor ich ihn vorsichtig ins Wasser zurücklegte. Wie viele Überraschungen der Pazifik barg!
    Ich schoss unzählige Fotos von den Meerestieren in den Tümpeln, und als Conrad eine große Kelppflanze, die aus mehreren Tangarmen bestand, aufhob und sich auf den Kopf setzte, nutzte ich die Gelegenheit, um auch ihn zu fotografieren. Klick, klick, klick . Conrad posierte mit seinem Kopfschmuck vor meiner Kamera und rollte mit den Augen. Er sah aus wie ein Ungeheuer mit Dreadlocks bis zu den Knien, und als er mit einem grimmigen Knurren und Klauenhänden auf mich zukam, lief ich lachend und quietschend davon.
    Seinen Kopfschmuck verlor er unterwegs, aber er fing mich ein und wir fielen auf die Decke. Conrad lag halb auf mir. »Das war Doskàya, die kelphaarige alte Frau aus dem Wald«, sagte er. »Wenn wir als Kinder Dummheiten gemacht hatten, drohte uns Mom mit ihr. Doskàya fängt böse Jungen und Mädchen ein, verklebt ihnen die Augen und Münder mit Baumharz und trägt sie in ihrem Rückenkorb in den Wald.«
    »Und was macht sie dort mit ihnen?«, fragte ich, atemlos von meinem kurzen Sprint und von Conrads überwältigender Nähe.
    »Sie kocht sie und frisst sie.« Er grinste.
    »Aber ich bin kein böses Mädchen«, sagte ich und schob mich sanft unter ihm hervor. »Und außerdem habe ich Hunger.«
    Mit einem Seufzen zog Conrad seinen Rucksack heran und begann auszupacken, was er mitgebracht hatte: ein sauberes kariertes Geschirrtuch, das uns als Tischdecke diente. Orangensaft, hausgemachte

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