Indigosommer
Sandwichs, zwei Äpfel, Weintrauben, Kartoffelchips und Käsedip, eine Schachtel Erdnussbutterkekse sowie zwei Schokoladendonuts. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
Ich saß im Schneidersitz auf der Decke und vertilgte mit gutem Appetit zwei Thunfischsandwichs und einen Donut und trank vom Orangensaft. Conrad lag ausgestreckt auf der Seite, den Ellenbogen aufgestützt, und tunkte ein paar Kartoffelchips in den Käsedip. Ich naschte von den Trauben und fragte ihn, ob er die alte Sprache seines Volkes beherrschen würde.
»Ein bisschen«, sagte er. »Wir lernen sie in der Schule. In La Push gibt es allerdings nur noch zwei alte Leute, die sie fließend sprechen können.«
»Hat niemals jemand eure Sprache aufgeschrieben?«
»Doch, aber erst in den letzten Jahren. Es ist schwierig, weil wir Quileute die Einzigen sind, die diese Sprache beherrschen.«
»Die Einzigen? Es gibt keinen verwandten Stamm?«
Conrad schüttelte den Kopf. »Die Chimakum waren mit uns verwandt. Aber weil wir Quileute und Chimakum uns immer wieder wegen Nichtigkeiten stritten, drohte K’wati, der Verwandler, mit einer großen Flut. Er sagte, nur diejenigen von uns würden überleben, die seetüchtige Kanus hatten. Wir Quileute nahmen seine Drohung ernst und bauten große Kanus, die Chimakum aber machten einfach weiter wie bisher. Da rief K’wati den Chinook, den warmen Wind, der den Schnee in den Bergen schmelzen ließ. Die Flüsse führten Hochwasser, der Ozean schwoll an und schließlich schauten nur noch die Gipfel der Olympic Mountains aus dem Meer. Wir Quileute retteten uns in unsere Kanus. Die Chimakum wurden von der großen Flut fortgespült bis nach Port Townsend. Deshalb ist Quileute mit keiner anderen Sprache auf der Welt verwandt.«
»Ist sie schwer, eure Sprache?«, fragte ich.
»Das kann man wohl sagen. Quileute besteht aus vielen Rachenlauten und Zungenverdrehern und es gibt kein M und kein N.«
»Sag mal was«, forderte ich ihn neugierig auf.
Conrad sagte: »Kitlayakwokwilkwolasstaxasalas.«
Mir blieb einen Moment der Mund offen stehen. »Was war das denn? Eine Zauberformel?«
»Das heißt: Diese Leute denken, ich bin derjenige, der nach Forks gehen sollte.« Er grinste breit. »Na, beeindruckt?«
»Durchaus.« Ich nahm mir einen Apfel und biss herzhaft hinein. Conrad hatte außer Chips kaum etwas gegessen. Er schien allein davon satt zu werden, dass er mir beim Essen zusah. Das glaubte ich jedenfalls. Bis er auf den Knien an mich heranrutschte und mir den halb aufgegessenen Apfel, den ich gerade wieder zum Mund führte, aus der Hand nahm. Er legte ihn zur Seite und sah mich hungrig an.
Alec sollte recht behalten. Irgendetwas hatte Conrad vor auf dieser Wanderung. Und jetzt wusste ich auch, was es war: Er wollte mich zum Lunch verspeisen, hier und jetzt. Wie die kelphaarige Kinderdiebin.
Conrads T-Shirt lag verkehrt herum im Sand. Diesmal war er nicht zögerlich, nicht mit seinen Lippen und auch mit seinen Händen nicht. Seine Stimme, die leise meinen Namen flüsterte, war voller Drängen. Seine tastenden Finger suchten sich zielstrebig einen Weg unter mein T-Shirt. Ich machte einen tiefen Atemzug, als sie meine Brüste berührten.
Er ließ seine Hand auf meinem Bauch liegen. »Hey, was ist los?«
»Nichts.«
Conrad beobachtete aufmerksam meine Augen, hoffte, sie würden ihm mehr verraten als dieses Wort.
»Smilla«, flüsterte er.
»Tut mir leid«, sagte ich und setzte mich auf.
»Hey, schließlich...«
». . . bin ich nicht das erste Mädchen, das du nackt siehst?«
». . . habe ich dich schon mal gesehen«, beendete er seinen Satz mit einem unsicheren Lächeln.
»Das war ein Notfall«, sagte ich. »Und du hast selbst gesagt, dass es nicht viel zu sehen gibt.«
»Da war ich ziemlich wütend auf dich«, meinte er zerknirscht. »Und außerdem: Eine Handvoll ist völlig ausreichend.«
Vollständig entwaffnet von Conrads Argument hob ich beide Arme, sodass er mir das T-Shirt über den Kopf ziehen konnte. Inzwischen war ich braun gebrannt, aber nicht nahtlos. Meine Brüste hatten keinen Sonnenstrahl gesehen. Sie waren weiß und sahen dadurch noch unscheinbarer aus. Optisch gesehen nicht mal eine Handvoll.
Doch meine Sorgen waren ganz offensichtlich unbegründet. Ehe ich mich versah, lag Conrad halb auf mir und meine Brüste passten ganz wunderbar in seine Hände. Er bedeckte mich mit Küssen – überall. Sein Atem ging stoßartig und seine Bewegungen wurden immer drängender. Ich spürte, dass sich
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