Indische Naechte
Augenblick eurer Geburt an seid ihr beide in einem Strom der Ereignisse gefangen gewesen, der eure Wege zusammengeführt hat, auch wenn ihr in verschiedenen Ländern zur Welt gekommen seid.« Er warf wieder einen Blick auf die Symbole. »Die wichtigste Verbindung war ein alter Mann, der euch beide zusammengeführt hat — ein Mann, den ihr beide liebtet. Du hast deinen Mann kennengelernt, nachdem du einen großen Verlust erleiden mußtest.«
Lauras Augen weiteten sich. »Das kannst du aus einem Horoskop ersehen?«
»Das und noch viel mehr«, antwortete er. »Dies ist nicht das erste Leben, das du mit deinem Mann verbringst, und es wird nicht das letzte sein. Auch wenn die Belohnung groß sein wird, muß zuerst ein schwieriges Karma überwunden werden. Ihr seid jeder des anderen Schuldner aus der Vergangenheit, und jeder von euch hat die Macht, den anderen zu verletzen oder zu heilen. Es wird nicht leicht sein, diese beiden Aspekte voneinander zu trennen.«
Nachdem sie eine Weile darüber nachgedacht hatte, sagte sie entschuldigend: »Tut mir leid, aber ich finde deine Erklärung ziemlich abstrakt. Könntest du deutlicher werden?«
»Ich will es versuchen.« Srinivasa studierte die Diagramme nachdenklich. »Mars und Saturn, Mut und Pflichtbewußtsein, sind in deinem Gatten sehr stark vertreten. Er ist ein Krieger mit den Stärken und Schwächen eines Kriegers. Letzteres bedeutet, daß er nicht akzeptieren kann, daß seine Kraft auch Grenzen hat. Er quält sich selbst, weil er sein Versagen wahrnimmt und es nicht als notwendigen Schritt auf seinem Weg erkennt. Jupiter, Planet der Treue, Freude und des Wachstums, ist ebenfalls stark vertreten, wurde aber in den letzten vielleicht zwei Jahren schwer beeinträchtigt. Zunächst war der Körper eingesperrt, jetzt ist es der Geist.«
Das Horoskop hatte dem Priester eine Kenntnis von Ian vermittelt, die in vieler Hinsicht besser als die Lauras war. Ein wenig ängstlich vor dem, was sie über sich selbst erfahren mochte, fragte sie zögernd: »Und was sind meine Stärken und Schwächen, Srinivasa?«
Er lächelte. »Die weibliche Kraft der Venus und des Mondes, Wärme, Akzeptanz und Instinkt. Auch du hast die Kraft von Saturn und Mars, zu befehlen, doch ich sehe ein Ungleichgewicht deiner weiblichen und männlichen Aspekte, zudem die Furcht vor deinem eigenen Vermögen. Eine Furcht vor der Leidenschaft.« Er tippte mit dem Fingernagel auf das Blatt. »Die Ereignisse zwingen dich nun, dich diesem Ungleichgewicht zu stellen. Sehr bald wirst du lernen, diese Energien zu beherrschen, auch wenn du erst dann deine innere Balance finden wirst, wenn dein Sohn geboren wird.«
Laura hielt ungläubig den Atem an. »Ian und ich werden einen Sohn haben?«
»Ja, und...« Seine Worte brachen ab, als Kamala ein warnendes Räuspern von sich gab. Reumütig sagte der Priester: »Wieder habe ich vergessen, daß du deine Zukunft nicht in Einzelheiten wissen willst. Doch sicher wirst du nicht überrascht sein, wenn ich dir sage, daß du bald über das Meer zu einem Zuhause reisen wirst, das alt, doch neu für dich sein wird.«
Laura nickte, ein wenig betäubt. Bis zu diesem Tag war sie der Meinung gewesen, daß die Astrologie ein Aberglauben war, der in Europa - zum Glück - ausgestorben war, doch das Talent des Brahmanen ließ sie zu einer Gläubigen werden. Er sagte Dinge, die kein Fremder wissen konnte, Dinge, die sie nicht einmal Kamala gegenüber angedeutet hatte.
Srinivasa blickte wieder auf die Diagramme, und seine Brauen zogen sich zusammen. »Hier ist ein Fixstern mit einem schlechten Omen, was ich nicht ganz erklären kann«, murmelte er und strich sich über das Kinn. »Der Planet des Krieges wird bald für kritische Augenblicke in euren Horoskopen sorgen.« Mit gerunzelter Stirn warf er Kamala einen Blick zu, dann sagte er langsam, als würde er nur laut denken: »Sie bergen eine große Gefahr, doch du wirst unbeschadet daraus hervorgehen. Dein Mann...« Er schürzte die
Lippen. »Sehr bald wird dein Mann unter der Erde sein.«
Laura brauchte einen Moment, um die Bedeutung seiner Aussage zu erfassen. Dann begriff sie, daß er voraussagte, Ian würde bald sterben. Als das Entsetzen sie packte, rief sie: »Nein!«
Srinivasa sah mit leichter Überraschung in seiner Miene auf, als Laura aufsprang und dabei mit ihren Knien so fest gegen den niedrigen Tisch stieß, daß die Blätter raschelnd über die glatte Oberfläche rutschten. »Das ist doch nur Aberglaube, und ich will
Weitere Kostenlose Bücher