Indische Naechte
albern.«
»Nichts, was zwischen Freunden passiert, kann albern sein«, erwiderte die Maharani fast feierlich. »Komm, da vorne ist einer meiner Lieblingsplätze. Dort wird uns niemand stören.«
Eine kurze Zeit später kamen sie auf eine kleine Lichtung, wo Blütenstaub in der Sonne tanzte und der Duft der Blumen schwer in der Luft hing. Lauras Blick fiel sofort auf zwei Schaukeln, die nebeneinander an dem starken Ast eines Baumes hingen. Dicke Seile aus gedrehter Seide und gepolsterte Sitze, die königliche Hinterteile schützen sollten, wiesen darauf hin, daß die Schaukeln nicht für Kinder, sondern für noble Erwachsene gemacht waren.
Kamala setzte sich auf die rechte Schaukel, und ihre kleinen, mit Sandalen bekleideten Füße strichen durchs Gras. »Nun sag mir, warum du glaubst, albern zu sein.«
Laura ließ sich auf der anderen Schaukel nieder und stieß sich mit den Füßen ab. »Srinivasa hat etwas gesagt, das absolut stimmt, und zwar, daß ich mich vor der Leidenschaft fürchte.« Während sie sich vor und zurück schwingen ließen, wiederholte Laura für Kamala, was sie schon Ian erzählt hatte. Dieses Mal kamen ihr die Worte etwas leichter über die Lippen.
Nachdem sie Kamala von ihrer Herkunft berichtet hatte, beschrieb sie das merkwürdige Übereinstimmen der Bedürfnisse, die Ian und sie zu einer Ehe gebracht hatten. Kamala blickte sie verdutzt an, als Laura ihr von Ians Impotenz berichtete — da es nun nicht mehr stimmte, fühlte sie sich nicht mehr zum Schweigen verpflichtet -, gab aber bis auf einen mitfühlenden Laut keinen Kommentar ab. Als sie geendet hatte, fragte Laura: »Was meinst du, Kamala... ist die Situation hoffnungslos?«
»Nichts ist hoffnungslos, Laura, und deine Ehe bestimmt nicht.« Die Maharani legte den Kopf schief, während sie überlegte. »Ich glaube, daß du in deinem Kopf zwei verschiedene Ängste durcheinandergebracht hast — kein Wunder bei dem Vorbild deiner Eltern. Alle Unschuldigen sind ein wenig eingeschüchtert von der Leidenschaft - nicht nur Frauen, Männer auch. Es ist beängstigend, zu erkennen, daß der Wille und die Urteilskraft eines Menschen durch die Umarmung des Geliebten ertränkt werden können. Und das ist um so wahrscheinlicher, wenn jemand zu sehr starken Emotionen fähig ist. Und doch denke ich, daß deine Ängste nicht größer wären als bei anderen jungen Frauen, wenn du andere Eltern gehabt hättest.«
Laura seufzte. Sie hatte gehofft, daß Kamala ihr vielleicht irgendeine magische Antwort hätte geben können. »Aber ich hatte nun einmal leidenschaftliche, zerstörerische Eltern. Ich teile ihr Blut, ihre Schwächen und ihre Aussicht auf Vernichtung — die Unfähigkeit, Leidenschaft zu kontrollieren. Der Beweis liegt in der Art, wie ich auf Edward reagiert habe.«
Die Maharani rümpfte die Nase. »Ich glaube, du legst auf diese Erfahrung zuviel Wert. Du wirst niemals wieder so verletzlich, so wütend werden. Das Problem war nicht Leidenschaft, sondern Verrat.« Sie lächelte ein bißchen. »Erinnerst du dich? Du hast nur dem Sessel etwas angetan, nicht ihm.«
»Ich würde gerne glauben, daß ich niemals wieder so reagieren werde, aber das Beispiel meiner Eltern jagt mir dennoch Angst ein.«
»In ihrem Fall war ihr Problem nicht wirklich Leidenschaft, sondern Eifersucht und Unreife, was ganz und gar nicht dasselbe ist«, bemerkte Kamala ruhig. »Dein Vater benahm sich wie ein kleines Kind, deine Mutter nicht viel anders — und wie Kinder haben sie das Objekt ihres Streites einfach kaputtgemacht. In diesem Fall ihre Ehe.«
»Kann man denn Leidenschaft ohne Eifersucht ausleben?« fragte Laura mit ernsthafter Verwunderung.
»Aber natürlich. Und genau da entspringt deine Verwirrung. Wenn deine Eltern sich genug geliebt und vertraut hätten, dann wäre alles in Ordnung gewesen.« Kamala dachte einen Augenblick nach. »Sie mußten einen Hang zu kindischen Spielen und Zänkereien gehabt haben, und manchmal kann so etwas wirklich lustig sein. Aber als sich ernsthafte Probleme anbahnten, wußten sie nicht, wie man besonnen handelt. Dein Vater mit seiner Melancholie war nicht in der Lage, seine starken Gefühle im Gleichgewicht zu halten, und deine Mutter ließ sich in dem gleichen zerstörerischen Tanz einfangen. Doch die zweite Ehe deiner Mutter war glücklich, nicht wahr?«
»Ja, aber ich dachte immer, es läge daran, daß sie weniger leidenschaftlich war.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht, obwohl ich vermute, daß es mehr darin gab,
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