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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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zuvor im hinteren Teil der Höhle gesehen hatte. Genau - er hatte sich in die Höhle zurückgezogen, um vor der Kugel sicher zu sein. Das Artilleriefeuer mußte das Zusammenbrechen der Felswand verursacht haben. Sein Rückzug hatte ihn davor bewahrt, zerschmettert zu werden.
    Aber wozu? Lieber Gott, wozu? Mit hämmerndem Herzen betastete er das Ergebnis des Erdrut-sches und stellte fest, daß der Tunnel versiegelt war. Die Felsbrocken, die ihn schlossen, waren zu mächtig, um sie wegzuschieben. Er saß in der Falle und würde allein in der Finsternis sterben. Wie lange würde es dauern, bis der Hunger oder der Durst ihn umbrachten? Wie viele Stunden, Tage ohne Licht?
    Die Panik, die ein wenig verschwunden war, kehrte in einem gewaltigen Schub zurück. Nun mußte er seine Sünde mit den tiefsten, schändlichsten seiner Ängste büßen. Mit der Furcht vor der Dunkelheit, dem Eingesperrtsein, dem Alleinsein. Die Angst brannte in seinen Eingeweiden, stieg hinauf, immer höher, höher, bis sie in einem unmenschlichen Schrei ihren Ausdruck fand.
    Der Laut hallte von den Wänden wider, verebbte. Er fiel auf die Knie, konnte nicht mehr atmen. Das Gewicht der Felsen erdrückte ihn, preßte ihm das Leben Stück für Stück aus dem Körper.
    Noch ein Schrei entrang sich seinem Innersten. Er stieß sich die Faust in den Mund, um das Entsetzen zu ersticken.
    Das Entkommen war so einfach, so nah, es steckte in seinem Gürtel. Ohne nachzudenken, packte er den kalten Stahl seines Revolvers. Niemand würde je erfahren, daß er den feigen Ausweg gewählt hatte.
    Er entsicherte die Waffe, hob sie an seinen Kopf und...
    Davids sanfte, drängende Stimme erklang wieder. »Laura, kannst du gehen? Wir müssen hier weg.«
    Sie lehnte noch immer an der Felswand, straffte sich nun aber. »Ich kann gehen«, sagte sie wie betäubt.
    Die Wintersonne schien hell. Es war ein schöner, wenn auch kalter Tag, doch als sie begann, über den steinigen Pfad zu stolpern, konnte sie nur an Ian denken, der still und steif unter der Erde lag.
    Dein Mann wird unter der Erde sein.
    Schockiert blieb Laura so plötzlich stehen, daß David, der hinter ihr ging, in sie hineinlief. Sie bemerkte es gar nicht. Srinivasa hat niemals gesagt, daß Ian sterben würde. Hindus verbrannten ihre Toten — für einen Brahmanen würde das Bild, daß jemand unter der Erde liegt, niemals automatisch den Tod bedeuten, wie es für Christen und Moslems der Fall wäre. Warum hatte sie nicht schon vorher daran gedacht?
    Zornig erkannte sie, daß sie sich schlicht geweigert hatte, darüber überhaupt nachzudenken. Statt dessen hatte sie mit dem gleichen kindlichen Entsetzen reagiert, das sie so lange beherrscht hatte, wenn sie an Leidenschaft oder die Tragödie ihrer Eltern dachte. Wie ein Strauß, der den Kopf in den Sand steckt, hatte sie sich zu verbergen versucht, wenn sie etwas nicht ertragen konnte.
    »Laura, ist alles in Ordnung?« fragte Savid scharf.
    Sie wirbelte herum und starrte auf die Berge. Sie hatte zu schnell angenommen, daß Ian tot war. Die Zeit für kindliches Entsetzen war vorbei. Wenn Ian eine Chance haben sollte, mußte sie mit englischer Logik und russischer Zähigkeit um ihn kämpfen.
    Ihr Schwager nahm sie am Arm. »Wir bauen dir eine Trage.«
    Sie zog ihren Arm weg. »David, er muß nicht zwingend tot sein«, sagte sie mit bebender Stimme. »Die Höhle, in der er ausharrte, war tief. Er könnte sich zurückgezogen haben, so daß die Felsen ihn nicht getroffen haben.«
    »Ich hoffe zu Gott, daß es nicht so ist«, sagte David gequält. »Wir könnten ihn niemals rechtzeitig herausholen, selbst wenn wir wüßten, wo in dieser verdammten Wand wir suchen müßten.«
    In dem folgenden schmerzlichen Schweigen erkannte sie, daß seine Gedanken dieselben waren wie die ihren: Eingeschlossen unter der Erde zu sterben, ähnelte zu sehr Ians furchtbarer Gefangenschaft in Buchara. Allerdings wußte David im Gegensatz zu Laura nicht, daß Ian beinahe lebendig begraben worden war.
    Sie schluckte hart und verweigerte sich dem Gedanken, daß ihr Mann vielleicht schon tot war. Viel besser war es, sich zu erinnern, was Srinivasa gesagt hatte: Sie konnte ein langes, glückliches Leben führen, was in ihrem Fall nur zutraf, wenn Ian am Leben blieb. Er mußte es — sie würde so lange daran glauben, bis kein bißchen Hoffnung mehr übrigblieb. »Es ging ein Luftzug in der Höhle. Das könnte bedeuten, daß es einen zweiten Zugang gibt.«
    »Ja, könnte es«, gab David zu. »Aber

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