Indische Naechte
befestigte die Saphirohrringe, die herunterbaumelten und bei jeder Bewegung in kühlem Licht aufblitzten. »Jetzt kann ich mich jeder boshaften Frau in ganz Indien stellen.«
Er lächelte und bot ihr seinen Arm. Zusammen betraten sie das Wohnzimmer, wo David wartete. Er sah ausgesprochen gut in seiner Uniform aus, wenn auch vielleicht nicht ganz so beeindruckend wie Ian. Doch er brauchte nur noch ein paar Jahre und ein paar Fältchen mehr im Gesicht, und er würde dem Äußeren seines Bruders sehr nahe kommen.
David riß die Augen auf, als er seine Schwägerin sah. »Guter Gott, Laura, du siehst absolut überwältigend aus.«
Sie errötete ein bißchen, denn ihre Fähigkeit, männliche Begierde wahrzunehmen, sagte ihr, wie ernst es David mit dem Kompliment war. Dennoch störte sie Davids Blick nicht, denn er war der Typ Mann, für den es buchstäblich undenkbar war, der Frau seines Bruders unsittliche Anträge zu machen.
Und nun kam ihr in den Sinn, daß sie an diesem Abend fröhlich und unbefangen sein durfte, ohne sich über eventuelle Folgen Sorgen machen zu müssen. Mit Ian als Gatten war sie sicher vor unerwünschter Annäherung anderer Männer. Und das zum ersten Mal in ihrem Leben.
Sie nahm mit ihrer freien Hand Davids Arm. »Gehen wir? Mit einer so attraktiven Eskorte wird das ganze weibliche Cambay mich beneiden. Und ich bin entschlossen, einen wunderbaren Abend zu verbringen.«
Als sie hinausgingen, wünschte Ian sich inständig, er könnte sich über den Ausgang des Balls ebenso sicher sein.
Der Cambay-Club war ursprünglich als Zentrum für sportliche Aktivitäten gegründet worden, aber mit der Zeit war er zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens für die gesamte britische Gemeinde geworden. Das großzügig angelegte zweistöckige Gebäude war von Gärten umgeben, ein Flügel war zu einem Ballsaal umgestaltet worden. Walzertakte drangen durch die warme Nachtluft zu ihnen, als sie die Stufen der vorderen Veranda hinaufstiegen.
Als sie den Club betraten, sagte David: »Ian, du wirst sicher heute abend ständig von einer Menge
Leute belagert sein. Soll ich Laura in meine Obhut nehmen? Ich kann die Vorstellung übernehmen, verliebte Leutnants abwehren, für Erfrischungen sorgen und allgemein ein Auge auf sie haben.«
Ian warf seiner Frau einen Blick zu. »Wenn es dir nichts ausmacht, Laura, dann würde es die Dinge vereinfachen. Ich will dich nicht vernachlässigen, aber ich muß an einem Abend die gesellschaftlichen Verpflichtungen von zwei Jahren nachholen.«
»In Ordnung«, sagte Laura fröhlich. »David wird sich schon gut um mich kümmern.« Sie stellte sich wieder auf die Zehenspitzen und küßte Ian. Leise flüsterte sie ihm dabei zu: »Es wird bald vorbei sein, Duschenka. Versuch, es ein bißchen zu genießen. Du hast viele Freunde, die dich sehr gerne haben.«
Sie sah, daß er sich nur mühsam beherrschte, doch er brachte ein Lächeln zustande. »Du siehst zuviel, Larischka.«
Sie kicherte, als er eine der Koseformen benutzte, die Russen so lieben. Dann betraten sie den Ballsaal, und es blieb keine Zeit mehr für eine private Unterhaltung. Mit seinen funkelnden Lampen und leuchtenden Blumen sagte man diesem Saal nach, er wäre einer der herrlichsten in ganz Nordindien. Die Gesellschaft hatte sich ebenso herausgeputzt, die Damen trugen farbenprächtige Roben, die Herren nicht minder farbenfrohe Uniformen, denn in Cambay waren alle möglichen Regimenter stationiert.
Als Ehrengäste wurden Ian und Laura sofort von Menschen umringt. Eine ganze Weile bildete sich sogar eine Art Schlange, in der die Leute geduldig warteten, bis sie Ian begrüßen konnten und seiner Frau vorgestellt wurden. Gesichter und Namen verschwammen vor Laura, und nur Blanche Baskin machte eine Ausnahme. Sie trug ein so tief ausgeschnittenes Kleid, daß sie selbst in Indien eine Lungenentzündung riskierte. Nachdem sie Lauras Dank für Premula abgewehrt hatte, schwebte sie in Begleitung dreier Herren davon.
Während des Andrangs stand David die ganze Zeit neben Laura und erzählte ihr, was es Wissenswertes über die Leute gab, die sie kennenlernte. Als sie es schließlich überstanden hatte, fragte er: »Hast du Lust zu tanzen? Ein Walzer wird dir im Vergleich geruhsam Vorkommen.«
Laura nahm das Angebot ihres Schwagers mit Vergnügen an. »Ich hoffe, ich bekomme die Chance, heute abend auch einmal mit Ian zu tanzen. Wußtest du, daß wir beide das noch nie zusammen getan haben?«
Sie betraten das Parkett.
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