Indische Naechte
»Das ist der Nachteil, wenn die Zeit der Werbung die Geschwindigkeit einer Orkanbö hat. Jedenfalls bin ich sicher, daß dieses Versäumnis heute abend nachgeholt wird.«
Lauras Talent zum Tanz war so eben ausreichend, aber David erwies sich als exzellenter Tänzer. Als sie über den Tanzboden wirbelten, sah er sie ernst an. »Ich möchte dir danken, Laura.«
»Wofür?« sagte sie verwirrt.
»Daß du Ian geheiratet hast. Als er hier ankam, schien er am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu sein. Ich machte mir ziemliche Sorgen um ihn.« Davids gedankenverlorener Blick glitt durch den Raum zu der Stelle, wo sein älterer Bruder inmitten eines Pulks von Personen stand. »Aber jetzt ist er ein anderer Mensch geworden. Ich weiß nun, daß er wieder einigermaßen in Ordnung kommen wird. Und das ist ganz bestimmt nicht zuletzt dein Verdienst.«
»Ein bißchen vielleicht«, stimmte Laura zu. »Aber Ian hat mir genauso gutgetan wie ich ihm. Als wir uns kennenlernten, war mein Stiefvater kurz zuvor gestorben, und ich hatte dringend eine Schulter nötig, an der ich mich ausweinen konnte.«
David lächelte. »Sollte nicht genau das der Sinn der Ehe sein? Daß zwei Menschen einander helfen und sich um den anderen kümmern?«
»Das weiß ich noch nicht«, gestand sie. »Ich bin erst vierzehn Tage verheiratet. Wenn ich mit genug Kompetenz darüber reden kann, lasse ich es dich wissen.«
Der Tanz war vorüber, und David lachte. »Ich sehe mindestens sechs Männer in unsere Richtung kommen, um mit dir zu tanzen .Wir haben nie genug Frauen hier, schon gar nicht so hübsche. Wenn du willst, kannst du dir also problemlos Löcher in die Schuhe tanzen.«
Sie lachte auch und blickte zu ihm auf. »Dann stelle mich bitte zuerst denen vor, die mir wahrscheinlich nicht auf die Zehen treten.«
David tat genau das, worum er gebeten worden war. Als Laura lächelnd mit einem Kavallerie-Captain auf die Tanzfläche trat, wußte sie, daß sie recht gehabt hatte: Sie erlebte einen wundervollen Abend. Sie hoffte nur, daß es Ian genauso gut ging.
Nach einem halben Dutzend Tänze entschuldigte Laura sich, um im Ruheraum der Ladies ein wenig Luft zu schnappen. Das luxuriöse Zimmer hatte einen gewaltigen Spiegel, der ihr zeigte, daß ihr Haar ein wildes und ganz eigenes Leben führte, und daß ihr Kleid noch gewagter war, als sie befürchtet hatte. Es war zu spät, um irgend etwas an dem Ausschnitt zu verändern, aber sie ordnete ihre Frisur und wusch ihr Gesicht mit kaltem Wasser. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, sank sie auf ein Korbsofa und fächelte sich mit einem Spitzenfächer Luft zu. Die Lounge war im Augenblick leer, und sie genoß die Ruhe.
Dann öffnete sich die Tür und ein zierliches blondes Mädchen trat ein. Die junge Frau war mit ihren hellen, goldenen Haaren und ihrem Porzellanteint eine ausgesprochen attraktive Erscheinung, die perfekt dem gängigen Schönheitsideal entsprach.
Sie blieb stehen, legte eine Hand auf die Lehne eines Stuhls, und ihre Nägel schienen sich in das Rattan krallen zu wollen. »Ich bin Mrs. Gerald Phelps«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ich weiß, daß wir einander noch nicht vorgestellt wurden, Lady Falkirk, aber ich muß mit Ihnen sprechen.«
Laura entdeckte, daß die junge Frau schwanger war, und auf ihre Blässe zu schließen, würde sie gleich ohnmächtig werden. Besorgt fragte sie: »Geht es Ihnen nicht gut? Soll ich jemanden rufen?«
Die blonde Frau hockte sich nervös auf die Stuhlkante und begann, in ihrem Täschchen zu wühlen. »Mir geht es gut. Ich muß mit Ihnen reden, weil... weil ich Ihnen etwas zu geben habe.«
»Oje.« Lauras Hände flatterten zu ihren Ohrringen. »Habe ich mich aufgelöst?«
»Das hat nichts mit diesem Abend zu tun. Sie müssen wissen, daß mein Name vor meiner Hochzeit Georgina Whitman war.« Sie sprach den Namen aus, als würde er als Erklärung ausreichen. Dann hatte sie gefunden, was sie suchte, und reichte es Laura.
Laura blinzelte überrascht, als sie in ihrer Hand einen schönen Diamantring sah.
Georgina sprach die nächsten Worte sehr rasch.
»Ich weiß, ich hätte Ian den Ring sofort wiedergeben sollen, aber als ich ihn sah, als er gerade wiedergekommen war, war ich viel zu erschüttert, um daran zu denken. Dann war er auch schon wieder fort, und seit er zurück in Cambay ist, hat sich noch keine Gelegenheit ergeben. Wahrscheinlich hätte ich jemanden bitten sollen, aber es wäre so... so unangenehm gewesen. Schlimmer, als Sie jetzt
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